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Dein Gesicht morgen / Fieber und Lanze

Dein Gesicht morgen / Fieber und Lanze

Titel: Dein Gesicht morgen / Fieber und Lanze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Javier Marías
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kam ihnen wie gerufen, um das Bild abzurunden, und die Wirkung, die sie am Ende erzeugen, ist die parfümierter Bauernlümmel. Er kam mir nicht faschistisch vor, der Geist von De la Garza, nicht einmal in analogem Sinne. Er war bloß anbiedernd, einer von denen, die es nicht ertragen, irgend jemandem unsympathisch zu sein, nicht einmal denen, die sie verabscheuen, sie wollen selbst noch von denen geliebt werden, denen sie schaden. Er gehörte nicht zu denen, die aus eigener Initiative mit dem Dolch zustoßen, nur, wenn sie sich viele Verdienste erwerben oder sich gefällig erweisen müssen oder einen Auftrag erhalten, und dann sind sie wirklich skrupellos, weil sie sehr geschickt sind mit ihrem Gewissen.
    Doch ich vertagte diese Gedanken auf später und wandte nur den Kopf zur Seite und hob die Augenbrauen als Antwort, als würde ich einräumen oder sagen: ›Du wirst schon noch sehen, was soll ich dir sagen‹, und die Sache auf sich beruhen lassen, auf der er nicht beharrte, er dagegen nutzte meine Hemmung, um mir mitzuteilen, daß er auch einen Haufen – als Amateur, präzisierte er, nicht als Experte – über universale phantastische Literatur wisse, einschließlich der mittelalterlichen (das sagte er, er sagte »einen Haufen« und »einschließlich der mittelalterlichen«). Seinem Ton war zu entnehmen, daß ihm das Phantastische schick erschien. Ich dachte, er würde es eines Tages bis zum Kultusminister bringen oder zumindest zum Staatssekretär in diesem Zweig, wie man einst sagte, obwohl ich nie genau gewußt habe, was es mit dem »Zweig« in dieser bürokratischen und nicht floristischen Bedeutung auf sich hatte.
    Diese Augenblicke politisch-literarischer Angespanntheit hinderten den Attaché nicht daran, ich sagte es schon, sich kurz nach dem Abschluß unserer anfänglichen Begegnung an mich zu hängen oder um mich herumzuschleichen, obwohl ich mich mehrmals ganz offen von ihm abwandte und mich mit anderen im dunkelsten, affektiertesten und für ihn abschreckendsten Englisch zu unterhalten begann, dessen ich fähig war. So wurde zum Beispiel der kurze Moment, ich dem ich allein mit Tupra sprach, durch seine wiederholten unpassenden Einlassungen in spanisch verdorben. Das war schon zu einer späteren Stunde, als wir beide im Stehen Kaffee tranken, neben den Sofas, auf denen in diesem Augenblick Wheeler und die Freundin Beryl und die exorbitante Witwe des Dekans von York und zwei oder drei weitere Personen saßen, das Hin und Her und das Vertauschen der Plätze hört nicht auf bei diesen nomadischen, formlosen kalten Abendessen.
    Tatsächlich hatte Wheeler nichts getan, um uns zusammenzubringen, Tupra und mich, und ich war zu dem Schluß gekommen, daß sein Geschwafel am Telefon über den Typen oder fellow oder vielmehr über seinen Nach- und Vornamen zufällig und ohne Hintergedanken gewesen war, so schwer mir auch die Vorstellung fiel, daß Peter sich in irgendeiner Frage auf langweilige, platte Vordergedanken oder gar auf das völlige Fehlen derselben beschränken könnte. Er hatte seine Aufmerksamkeit gerecht auf fast alle seine Gäste verteilt, assistiert von Frau Berry (gesetzter als gewöhnlich), der Haushälterin, die er von Toby Rylands bei dessen Tod vor nun schon zwei Jahren übernommen hatte, und von drei Kellnern, die er zusammen mit den Speisen für den Abend bestellt hatte und deren Turnus punkt zwölf zu Ende ging, wie er mir mit leichter Sorge mitgeteilt hatte (er hoffte zuversichtlich, daß sich dann nicht mehr viele Gäste bei ihm herumdrücken würden). Er und ich waren kaum zusammengetroffen, da wir beide wußten, daß wir am nächsten Tag über unsere Zeit verfügen würden; ich würde heute bei ihm übernachten, wie ich es bisweilen tat, um mit ihm den Vormittag zu verbringen und das sonntägliche Mittagessen zu teilen. Aus der Entfernung hatte ich nicht gesehen, daß er sich besonders um jemanden gekümmert hätte, als guter Gastgeber, aber auch nicht, daß er konkrete Annäherungen herbeigeführt hätte, zumindest nicht, was mich betraf, denn ich mochte nicht glauben, daß er mir De la Garza bewußt auf den Hals gehetzt hatte, der mir die Seele verbittert und jedes Gespräch torpediert hatte mit seinen geschwätzigen Einmischungsversuchen und seinen Randbemerkungen ohne jeden Zusammenhang mit dem gerade behandelten Thema; und obwohl er die englische Sprache besser verstand als sprach, beeinträchtigten die Alkoholmengen, mit denen er seine unfreiwilligen Selbstgespräche

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