Dein Gesicht morgen / Fieber und Lanze
in einer anderen Sprache (ungezwungen und echt), und außerdem vermißt man es unsäglich, wenn man daran gewöhnt ist, ich habe oft Gelegenheit gehabt, das im Ausland festzustellen, wo ich erlebt habe, wie Minister, Aristokraten, Botschafter, Potentaten und Universitätsprofessoren und sogar ihre jeweiligen ziemlich aufgetakelten und von Erziehung, Wissen und Alter her unterschiedlichen Frauen und Töchter und sogar Mütter und Schwiegermütter meine vorübergehende Anwesenheit nutzten, um sich mit Verwünschungen und blasphemischen Schimpfwörtern in unserer Sprache (oder in katalanisch) Luft zu machen. Ich war ein Segen und ein Geschenk für De la Garza, und so suchte er mich und folgte mir durch das ganze Zimmer und den Garten, trotz der nächtlichen Kühle, um derbe Ausdrücke mit Rechthabereien abzuwechseln und sich ordentlich in spanisch auszutoben.
Er war wie mein Schatten während des ganzen Abends, und auch wenn ich mich mit anderen Leuten unterhielt, zwangsläufig in englisch, tauchte er alle Augenblicke auf (sobald jemand ihn stehenließ, angewidert von seinen phonetischen Barbarismen und Idiotismen) und mischte sich ein, zuerst mit seiner beleidigenden Sprechweise in dieser Sprache, um dann sogleich zu unserer überzugehen angesichts des Kraftakts, den meine Gesprächspartner vollbringen mußten, um ihn zu verstehen, und mit der anfänglichen, scheinbaren Absicht, ich möge ihm als Simultanübersetzer dienen (»Los, übersetz dieser dämlichen Tussi den Witz, den ich gemacht habe, man sieht, daß sie mich nicht verstehen will«), jedoch mit der wahren, festeren, sie alle zu verscheuchen und meine Aufmerksamkeit und Unterhaltung für sich zu monopolisieren. Ich versuchte, ihm weder das eine noch das andere zukommen zu lassen, und widmete mich weiter meinen Angelegenheiten, fast ohne ihm zuzuhören oder nur dann, wenn er allzu laut die Stimme hob, so daß mehrdeutige Bruchstücke oder einzelne Sätze an mein Ohr drangen, die er bei der geringsten Pause einschob oder sogar ohne eine solche abzuwarten, deren Kontext mir jedoch zum größten Teil entging, da der Attaché De la Garza sich mir in Wirklichkeit in jedem Augenblick attachierte und in keinem aufhörte, an mich hinzureden, ob ich ihm nun antwortete und zuhörte oder nicht.
Das alles begann nach unserem ersten Gefecht, das mich unvorbereitet traf und aus dem ich erschrocken und schon ziemlich mitgenommen hervorging und bei dem er mich über meine Aufgaben und Obliegenheiten bei Radio BBC ausfragte und mir sogleich sechs oder sieben Projekte für Radiosendungen vorschlug, die zwischen dem Imperialen und dem Banalen schwankten, wobei beides mehr als einmal zusammentraf, Projekte, die angeblich nützlich für seine Botschaft und unser Land und ohne jeden Zweifel für ihn und seine Karriere waren, denn er teilte mir mit, er sei Experte in der armen Generation von 1927 (arm, weil ausgebeutet und abgegriffen), im armen Goldenen Jahrhundert (arm, weil verbraucht und in aller Munde) und in den keineswegs armen faschistischen Schriftstellern der Vorkriegszeit, der Nachkriegszeit und des Krieges dazwischen, die ohnehin dieselben waren (sie erlitten nur wenige Verluste während des bewaffneten Konflikts, ein Pech) und denen er dieses Eigenschaftswort natürlich nicht zuordnete, sie erschienen ihm als ehrbare, uneigennützige Leute, diese Bande von Verrätern und Maulhelden in Großbuchstaben.
»Außerordentliche Stilisten die meisten, wer kann heute so kleinlich sein, angesichts solcher Verse und einer solchen Prosa an ihre Ideologie zu denken. Man muß die Literatur ein für allemal von der Politik trennen, Alter.« Und er wiederholte mit Nachdruck: »Ein für allemal, Scheiße.« Er besaß diese Mischung aus Biederkeit und Ungeschliffenheit, halb kindisch, halb ordinär, halb zuckersüß, halb brutal, die so häufig ist bei meinen Landsleuten, eine wahre Plage und eine schwere Bedrohung (sie gewinnt noch immer Anhänger, mit den Schriftstellern an der Spitze), die Ausländer werden sie am Ende für den vorherrschenden Zug des Nationalcharakters halten. Er hatte mich vom ersten Augenblick an geduzt, aus Prinzip: er gehörte zu denen, die das Sie nur noch Untergebenen und Handwerkern vorbehalten.
Ich war kurz davor, ihm einen Handschuh an das straff gekämmte, ölige Haar zu werfen (er wäre gut an ihm haften, fast kleben geblieben), aber ich hatte keinen zur Hand, nur eine Serviette, und das ist nicht dasselbe, trotz der allgemeinen Trivialisierung unserer
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