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Dein Gesicht morgen / Fieber und Lanze

Dein Gesicht morgen / Fieber und Lanze

Titel: Dein Gesicht morgen / Fieber und Lanze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Javier Marías
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archaischer Etikette die elegant Gekleideten nicht so gut zu unterscheiden, auch wenn man in ihm gelebt hat; und es gab einen berauschten, riesenhaften Adligen, Lord Rymer, ein alter Bekannter von mir aus Oxford und längst pensionierter Direktor oder warden eines college , All Souls), als aus Zuneigung oder Unterwerfung oder Begehren oder Liebenswürdigkeit oder mit der üblichen Ungeduld angesichts des Neuen, dessen unvermeidliches Ende, das man im Grunde immer lieber beschleunigt, noch nicht abzusehen ist (das Neue ermüdet sehr, denn es erfordert Bewältigung und hat noch keine Bahn). Peter hatte sie mir einfach als Beryl vorgestellt. »Mr. Deza, ein alter spanischer Freund«, hatte er auf englisch gesagt, als sie eintrafen und ich schon da war, wobei er ihnen einen natürlichen Vorrang einräumte, indem er meinen Namen zuerst nannte, die Dame verpflichtete dazu und vielleicht noch etwas anderes; und gleich darauf: »Mr. Tupra, dessen Freundschaft auf noch fernere Zeiten zurückgeht. Sie ist Beryl.« Weiter nichts.
    Wenn Wheeler wollte, daß ich auf Tupra achtete und ihm mehr Aufmerksamkeit schenkte als sonst jemandem während des Abends, war ihm bei seinem Kalkül ein Fehler unterlaufen, denn er hatte einen weiteren Spanier eingeladen, einen gewissen De la Garza, mir war am Anfang nicht klar, ob Kulturattaché oder Pressesprecher oder etwas noch Vageres oder Parasitäreres in der Botschaft unseres Landes, obwohl ich aufgrund einiger seiner Formulierungen nicht ausschließen konnte, daß er lediglich mit unzüchtigen Beziehungen befaßt war, Branntweinkellner, Bestecher in pectore oder Kammerherr. Ein geschniegelter, aufgeblasener und geschwätziger Typ, der, wie es die Regel zu sein pflegt bei meinen Landsleuten, wenn sie bei irgendeinem Anlaß und an irgendeinem Ort mit Ausländern zusammentreffen, sei es in Spanien als Gastgeber oder im Ausland als Gäste, egal, ob sie als absolute Mehrheit oder als individuelle Minderheit auftreten, es in Wirklichkeit nicht ertrug, mit Fremden umzugehen oder in der widrigen Lage zu sein, ihnen ein höfliches Interesse entgegenbringen zu müssen, und daher, kaum daß er einen Landsmann entdeckt hatte, mir quasi nicht mehr von der Seite wich und völlig davon absah, irgendeinem Einheimischen die geringste Beachtung zu schenken (schließlich und endlich waren wir die Fremden dort), mit Ausnahme der zwei oder drei oder vielleicht vier erotisch relevanten Frauen unter den etwa fünfzehn (kalten, also bisweilen sitzenden, wenn auch ohne festen Platz, und bisweilen hin und her gehenden oder ruhig stehenden) Tischgästen, doch eher, um sie mit allzu durchsichtigen Augen zu begutachten, plumpe Kommentare über sie abzugeben, sie mir mit seinem unbeherrschbaren Kinn zu zeigen und mir sogar den einen oder anderen peinlichen und unangebrachten anzüglichen Ellbogenstoß zu versetzen, denn sich ihnen zu nähern und Bekanntschaft oder eine Unterhaltung anzuknüpfen, das heißt, sich bei ihnen über das Visuelle hinaus einzuschmeicheln, durfte ihm in englisch alles andere als leichtfallen. Ich bemerkte sofort seine Freude und Erleichterung, als man uns vorstellte: mit einem Spanier an der Hand ersparte er sich die Anspannung und die Mühe des lästigen Gebrauchs der lokalen Sprache, die er zu sprechen glaubte, obwohl sein schamloser Akzent die trivialsten Worte in rauhe Vokabeln verwandelte, die allen außer mir unverständlich waren, was nicht etwa ein Privileg darstellte, sondern eine Tortur, denn meine Vertrautheit mit seiner unerschütterlichen Phonetik ließ mich nur Abgeschmacktheiten und Unverschämtheiten entziffern, wider meinen Willen; er konnte seinem Gekrittel und seinen Lästerungen großzügig Lauf lassen, ohne daß ihn die kritisierten Anwesenden verstehen konnten, obwohl er bisweilen Sir Peter Wheelers perfekte Beherrschung des Spanischen vergaß, und wenn es ihm dann einfiel und er ihn in Hörweite sah, griff er auf obszöne oder knastbruderhafte Ausdrücke zurück, ich meine, mehr noch, als wenn dies nicht der Fall war; er fühlte sich befugt, mir gegenüber absurde nationale Themen anzuschneiden, mit einer Natürlichkeit, die nicht immer gerechtfertigt war, denn ich weiß kaum etwas über Stierkampf oder die lächerlichen Gestalten der Regenbogenpresse oder die Angehörigen der Königsfamilie, obwohl ich nichts gegen erstere und fast nichts gegen letztere habe; und mir gegenüber konnte er auch Flüche vom Stapel lassen und zotig sein, und das ist nun wirklich schwierig

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