Dein Gesicht morgen / Fieber und Lanze
womöglich mehr auf dem laufenden ist«, sogar »der sich vielleicht besser auskennt« (in irgendeiner konkreten Angelegenheit, müßte man in diesem Fall mitverstehen). Doch außerdem war eine ganze Skala weniger wörtlicher Interpretationen möglich, je nach der Bedeutung, die der Ausdruck » to know better « oder » to know better than … « häufig hat, und bei allen möglichen Varianten hätte etwas von Warnung oder Vorwurf darin gelegen, ich weiß nicht, wie ich sagen soll, »Für Peter Wheeler, der besser daran täte, nicht zu …« oder »der sich davor hüten mag …«, auf was immer sich das beziehen mochte; oder »dem es besser anstünde …«; oder »der wissen wird, was er tut«; oder sogar »der schon wissen wird«, eine Nuance oder Andeutung dieser Art. Ich warf einen Blick auf die anderen Romane, von Casino Royale aus dem Jahr 1953 bis zu Octopussy and The Living Daylights aus dem Jahr 1966, bereits postume Titel. Die fünf ältesten enthielten eine schriftliche Widmung, die in From Russia with Love war in Wirklichkeit die letzte, und die danach veröffentlichten enthielten keine, und keine der vier vorangehenden war vielsagender, im Gegenteil, sie waren eher nichtssagend oder einfach kurz und bündig , »To Peter Wheeler from Ian Fleming«, »This ist Peter Wheeler’s copy from the Author « und so ähnlich. Vielleicht war der Kontakt zwischen Wheeler und Fleming gegen 1958 abgebrochen. Später war dieser – las ich auf dem Umschlag seiner Biographie – gestorben, 1964, mit sechsundfünfzig Jahren und auf der Höhe seines Erfolges oder besser gesagt der Bond-Filme mit Connery, ein wahrer Auftrieb für den seiner Romane. Was das spanische Wort Salud! betraf, so vermutete ich, daß es nur dadurch bedingt war, daß der Adressat Hispanist war, und nichts weiter dahinter steckte. Diese Beziehung oder Freundschaft zwischen der Oxford-Größe und dem Erfinder von 007 erschien mir eigentlich unpassend, aber in der letzten Zeit paßte ohnehin fast nichts mehr zusammen. Und schließlich und endlich war Wheeler in den fünfziger Jahren nicht so groß gewesen – ganz zu schweigen von den Dreißigern, während des spanischen Krieges –, wie er es später sein sollte (der Titel Sir war ihm zuerkannt worden, nachdem er und ich uns kennengelernt hatten, zum Beispiel, er war noch schlicht »Professor Wheeler«, als Rylands ihn mir vorgestellt hatte).
Das Stehen ermüdete mich, ich fühlte mich unwohl und schwankte nicht wenig, und so beschloß ich, das Exemplar von From Russia with Love mit hinunterzunehmen, um es in aller Ruhe im Arbeitszimmer durchzusehen – ich hielt es fest, als wäre es ein Schatz –, und in diesem Augenblick, beim Hinuntergehen, während ich die Lichter löschte, die ich angemacht hatte, um ohne Fehltritte hinaufzusteigen, entdeckte ich einen großen Blutstropfen oben auf dem ersten Absatz der Treppe. Es war kein Tröpfchen, will ich damit sagen; er befand sich auf dem Holz, nicht auf dem teppichbedeckten Teil, er war rund, mit einem Durchmesser von vier oder fünf Zentimetern beziehungsweise von eineinhalb oder zwei Zoll, eher als ein Tropfen war es ein Fleck (zum Glück reichte es nicht zur Lache), der sich meinem Begriffsvermögen entzog, als ich ihn erblickte, und vielleicht auch danach. Das erste, was ich dachte, als meine Denktätigkeit endlich einsetzte (vorher hatte es nicht einmal das gegeben), war, daß er von mir stammte, daß ich ihn vielleicht beim Hinaufsteigen hatte fallen lassen, ohne es zu merken; daß ich mich irgendwo angestoßen oder mich an etwas aufgeschrammt oder -gekratzt hatte, ohne es überhaupt zu spüren – wem ist das nicht schon passiert –, versunken in meine Bücherraubzüge, wie ich gewesen war, dazu noch sehr wenig nüchtern. Ich schaute zurück, nach oben, auf die Stufen des nächsten Treppenstücks, die ich erneut erleuchtete, ich schaute auch auf die unteren, es gab keine weiteren Tropfen, und das war seltsam, wenn bei jemandem Blut tropft, sind es fast immer mehrere Tropfen, was man ein Rinnsal oder eine Spur nennt, es sei denn, er bemerkt es beim ersten Tropfen und hält sofort die Wunde zu – das Loch, aber das kann niemand zuhalten –, um keine weiteren Flecken zu machen. Und in diesem Fall kümmert man sich darum, später den auf dem Boden erblickten Fleck zu entfernen, nachdem man die Blutung gestillt hat, das zuallererst. Ich befühlte mich, schaute mich an, berührte meine Hände, die Arme, die Ellbogen – ich hatte mir
Weitere Kostenlose Bücher