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Dein Gesicht morgen: Tanz und Traum (German Edition)

Dein Gesicht morgen: Tanz und Traum (German Edition)

Titel: Dein Gesicht morgen: Tanz und Traum (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Javier Marías
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es waren zwei aufeinanderfolgende, rasche Bewegungen, ich bemerkte besondere Entschlossenheit und Sicherheit bei jeder einzelnen und sogar Sparsamkeit bei allen.
    »Nein, es geht noch niemand«, sagte er dann.
    Er wirkte zerstreut oder eher weiter beschäftigt, er verhielt sich wie jemand, der arbeitet. Er legte den dunklen Mantel über eine der Metallstangen, eine niedrige, auf Hüfthöhe, seinen dagegen hängte er gerade auf eine andere, höhere, er nahm ihn ab wie ein Cape, obwohl dem Kleidungsstück der Schwung fehlte, es kam mir etwas schwer und starr vor, wie die verdreckten der Bettler und die gestärkten. Aber niemand verwendet noch Stärke, schon gar nicht bei einem Mantel. Seiner war überdies sichtlich teuer, neu, einer von denen, die die Achtbarkeit ihres Besitzers unterstreichen und das vielleicht zu sehr, so daß man ihr fast mißtraut.
    »Es wurde aber auch Zeit«, wagte De la Garza zu klagen. Und er fügte mit seinem fürchterlichen Akzent in Tupras Sprache hinzu, also an ihn gewandt (es war eine Provokation, ein Skandal, daß ihm dessen Weste aufgefallen war und er sie verspottet hatte, wenn man bedachte, wie übertrieben seine Erscheinung war, ich meine, wie beleidigend für das Auge): »It was high time, you know.« Aus seinem Mund waren nur feste Wendungen verständlich, eben weil sie so abgegriffen und fest waren, und er gehörte zu denen, die an alles »you know« anhängen, das verrät sogleich diejenigen, die wirklich keine Ahnung haben; im übrigen, und das wußte ich nur zu gut, war er unfähig, sich auf englisch zu unterhalten, dieser Hornochse, er verlor sich beim ersten Nebensatz, den er hörte, wenn nicht vorher, und ihn konnte niemand verstehen, der nicht sein Landsmann war, mein Unglück, daß ich es war, nicht nur in dieser Hinsicht. Er schien schon vergessen zu haben, warum er sich eigentlich dort befand, daß wir ihn von Flavia getrennt hatten, um zu verhindern, daß er aus Flavias Gesicht ein heiliges Schweißtuch machte, daß er in unserer Schuld stand und uns gleichsam als ihre Begleiter und Beschützer beleidigt hatte, ich hatte sie ihm vorgestellt. Es ist das Glück der Selbstgefälligen, nie fühlen sie sich verantwortlich oder haben ein schlechtes Gewissen, denn sie sind gewissenlos und verantwortungslos, es verwirrt sie jede Bestrafung oder Zurückweisung, sie können sie sich nicht erklären, obwohl sie es mit unverbrüchlichem Eifer darauf angelegt haben, sie sind nie im Unrecht und überzeugen oft andere wie durch Ansteckung von dieser spontanen Überzeugung und kommen auf diese Weise davon. Ich war nicht sicher, daß es dieses Mal so sein würde. Ich dachte, daß Tupra dieser unbescheidene Ton mißfallen mußte, man hatte De la Garza eine Linie angeboten, nicht einmal direkt, sondern durch eine Mittelsperson (durch einen Landsmann und Beinahe-Dolmetscher), und das war ihm in seiner glücklichen Aufgeblasenheit Grund genug, sich zu erlauben, sie sieben oder zehn oder zwölf Minuten später zu reklamieren, es war, als würde man Rechenschaft über einen Gefallen oder ein Geschenk verlangen.
    Das Gefühl der Schwere, das mich plötzlich erfaßt hatte, als ich den Tisch verlassen und mich auf den Weg zu den Toiletten gemacht hatte, verstärkte sich jetzt; es war nicht vergangen seither, aber jetzt nahm es zu, wurde bedrückender, es entsteht aus mehreren Verbindungen, von Schrecken und Eile, von Widerwillen angesichts der kalten Vergeltung, zu der wir uns gezwungen sehen, von übermächtiger Fügsamkeit in einer bedrohlichen Situation. Diese dritte Mischung war bei Rafita noch nicht möglich, er fühlte keine Bedrohung. Bei mir herrschte jetzt dagegen eher die zweite als die erste, es gab keinen Schrecken und keine Eile mehr, wie in dem Augenblick, da ich aufgestanden war und den Stuhl zur Seite gerückt hatte, um mich auf die Suche nach ihm und Flavia zu machen, sondern das Vorgefühl (es ging nicht bis zum Vorwissen) einer bereits in der Luft liegenden, gerade noch vermeidbaren Vergeltung, so als läge der Pfeil im Bogen und als wäre dieser maximal gespannt, wenn auch mit Widerwillen, mit gähnendem Arm. All das ging nach wie vor von Tupra aus, obwohl ich es war, der es ertrug: das Unbehagen, das Ominöse, den Nadelstich und die Ahnung eines Unheils. Ja, Reresby mußte zu denen gehören, die nicht warnten oder erst, wenn es nichts mehr nützte, wie soll ich sagen, wenn die Warnung nur Teil der Strafaktion ist, die schon vollzogen wird.
    »Das Warten wird sich gelohnt

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