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Dein Gesicht morgen: Tanz und Traum (German Edition)

Dein Gesicht morgen: Tanz und Traum (German Edition)

Titel: Dein Gesicht morgen: Tanz und Traum (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Javier Marías
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mit der Kante seiner ringgeschmückten Faust, ob die Tür geschlossen, das heißt fest blockiert war, und dann machte er sich daran, neben der Reihe der Wasserhähne, auf dem flachen Teil des schwarzen Marmors, der die konkave Keramik umgab, die Linie vorzubereiten. Aber er überlegte es sich anders, kaum daß er seine Brieftasche hervorgezogen hatte (vielleicht traute er trotz allem Tupras Keil nicht, konnte ihn nicht als sicheres Schloß ansehen), und ging in eines der Kabinette mit ihr und dem Briefchen in der Hand; natürlich schloß er nicht die Tür, das hätten wir als Affront betrachtet oder als mögliche Absicht, sich beim Bedienen zu vergreifen. Bei meinem ersten raschen Besuch hatte ich mich nicht gründlich umgesehen – kaum mehr als ein kontrollierender Blick auf der Suche nach den Flüchtigen – und die drei oder vier Stangen übersehen, die sich auf Hüfthöhe befanden, außer den höheren, auf Schulterhöhe; auf einer von ihnen lag mein Mantel, wenn es denn meiner war, mir war auch nicht aufgefallen, wie groß diese Kabinette waren, nur zwei, aber fast wie kleine Zimmer, alles dort war geräumig, sicher, um den Behinderten die Bewegungen zu erleichtern und den Rollstühlen jede Art von Drehmanövern (auch plötzliche) zu erlauben; ebenso großzügig war die Beleuchtung, prachtvoll, bestimmt, um ihnen zu ersparen, irgendwo anzustoßen, alles war makellos und neu, glänzend und sogar angenehm, ohne ein einziges der in öffentlichen Toiletten so häufigen schäbigen Elemente. Es war wirklich bewundernswert, daß die britischen Unbehinderten sie respektierten, sie nicht völlig ungeniert stürmten und von oben bis unten verschmutzten, wie es die Regel ist bei den Männern und möglich bei den Frauen. Tja, und jetzt waren wir da, drei noch Unbehinderte, und machten nicht nur ungebührlichen und halbkriminellen Gebrauch von ihr, sondern verhinderten überdies den Zutritt jedes berechtigten Behinderten, der sie benötigen könnte, ein eher unwahrscheinliches Zusammentreffen; aber wir waren zwei Spanier, zwei von drei Eindringlingen, und bei uns oder bei der Mehrheit von uns weiß man ja: man braucht uns nur etwas zu verbieten, und schon haben wir nichts Eiligeres zu tun, als den Befehlen und sogar den Anweisungen und den Bitten zuwiderzuhandeln. Die ursprüngliche Idee stammte jedoch vom Engländer des Trios, die Idee, uns hier zu treffen oder diesen Ort zu entweihen, auch wenn sein Name noch so finnisch oder tschechisch, türkisch oder russisch war; er war Engländer durch und durch und vielleicht ein Patriot, und außerdem stand er für Reresby an jenem Ort, in jener Nacht. Es kostete mich tatsächlich Mühe, mich zu erinnern, wenn er unter anderem Namen auftrat: ich dachte immer an Tupra, und das lag mir auf der Zunge, nicht einmal Bertram oder Bertie, nachdem er mich aufgefordert hatte, ihn in dieser vertrauten Weise anzureden, und darauf bestanden hatte.
    De la Garza klappte den Klodeckel herunter und legte das Briefchen und die Brieftasche auf den Spülkasten dahinter, aber er hielt sogleich inne, ihm wurde klar, daß er weiß war, also legte er sie auf den Deckel, der aus Bakelit oder etwas Ähnlichem war, dunkelblau, glänzend und glatt, und kniete sich davor hin, die Hinterbacken fast auf die Fersen gestützt (›Aha, jetzt macht es diesem Affen nichts aus‹, dachte ich verärgert, ›eben noch wollte er sich nicht mal bücken, um sich die Schnürsenkel zuzubinden, und sie von mir verknotet haben, und jetzt fällt er auf die Knie, um sich eine Linie zu legen und reinzuziehen, hoffentlich tritt er dann darauf und schlägt hin; und verknotet sich den Hals‹). Er warf sein Haarnetz zurück, damit es ihn nicht störte, mit einer Bewegung seines Nackens, als wäre es eine Haarmähne, es blieb seitlich hängen; er holte eine Kreditkarte aus seiner Brieftasche, ich sah, daß es eine Platinum war, vermutlich verfügte er über gutes Geld auf seinen Konten oder verwaltete womöglich Gelder der Botschaft, Gutschriften, diese Visa bekommt nicht jeder. Er öffnete das Briefchen vorsichtig und nicht besonders gewandt, er war wohl ein Gelegenheitskonsument; mit einer Spitze der Kreditkarte streute er eine kleine Menge Koks direkt auf den Klodeckel; da er nichts zur Hand hatte, was ihm als Hostienteller oder Unterlage hätte dienen können, hob sich das weiße Pulver in aller Deutlichkeit von ihm ab, anders als es auf der Keramik des Spülkastens der Fall gewesen wäre. Dann schob er es mit der harten

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