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Dein Gesicht morgen: Tanz und Traum (German Edition)

Dein Gesicht morgen: Tanz und Traum (German Edition)

Titel: Dein Gesicht morgen: Tanz und Traum (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Javier Marías
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Plastikkarte zusammen, bis es eine Linie bildete, er hatte nicht übertrieben, er tat sogar ein wenig von dem bereits Herausgenommenen wieder in seine Verpackung zurück, die er danach beiseite legte, als habe ihn plötzlich ein Gefühl für fremdes Eigentum erfaßt, zusammengefaltet, aber nicht ganz geschlossen. Die Visakarte handhabte er nicht besonders geschickt, er schob die Linie immer wieder neu zusammen und formte sie, ich beobachtete ihn perplex von der Schwelle des Kabinetts aus, Tupra blieb draußen, hinter mir oder so vermutete ich, ihn schaute ich nicht an, nur den knienden Rafita (obwohl er nicht geübt war, dauerte der Vorgang nur kurz, oder so war es üblich). Sie kam mir nicht besonders voluminös und lang vor, die Linie, verglichen mit denen, die ich vor Zeiten bei Comendador und seinem Kreis gesehen hatte, und, nun ja, auch bei anderen, weniger nachtschwärmerischen Leuten auf verschiedenen Festen und in der einen oder anderen Toilette (letzteres vor allem Ende der Achtziger und in den Neunzigern, aber nicht nur), darunter ein Minister, ein Potentat, der Präsident eines Fußballklubs, ein Richter mit strengem Ruf und sogar ihre jeweiligen ziemlich aufgetakelten Ehefrauen, unterschiedlich in Herkunft, Kenntnissen und Alter, sowohl in England als auch in Spanien, sowie zwei Schauspielerinnen und zwei Bischöfe (getrennt voneinander: ein katholischer und ein anglikanischer, aber beide inkognito), eine Multimillionärin vom Opus Dei oder den Legionären Christi, ich erinnere mich nicht mehr, und in jüngerer Zeit Dick Dearlove am Ende seines Abendessens- cum -Berühmtheiten und einige dieser Berühmtheiten- ad -Abendessen; und in den Vereinigten Staaten einmal bei einem Chef des Pentagons, obwohl ich das nicht erzählen darf, ich meine, wer oder wo oder die Umstände; aber es war reiner Zufall, daß ich dabei war, und außerdem geschah das später, und damals hatte ich es noch nicht gesehen (ich glaube, wenn ich vor einer Verhaftung dort bewahrt wurde oder diese auf der Stelle ungültig wurde, dann lag das daran, daß ich das mitbekommen hatte, weniger am unvollständigen Aufsagen der Miranda-Formel durch den Detektiv, der mir und diesem Chef und zwei Frauen und zwei weiteren Personen Handschellen anlegen ließ, »Sie haben das Recht zu schweigen …«. Tatsache ist, wenn ich nicht geschwiegen hätte, dann hätte ich diesen äußerst hohen Würdenträger mit einer so vielköpfigen Truppe unter seinem Befehl ganz schön in Bedrängnis bringen können).
    De la Garza tastete seine Hosen und das Riesenjackett ab (die Schöße lagen auf dem Boden) und schaute mich blicklos an, ohne ganz den Kopf zu wenden; ich fürchtete, er würde mich um einen Geldschein bitten, er war dazu imstande, oder Tupra. ›Wenn du dir schon einen Geldschein in die Nase steckst, dann soll er von dir sein, du Trüffelschwein‹, dachte ich schon einmal mit unfreiwilligem Reim. Aber schließlich tat er die Hand in eine Tasche und holte eine Fünf-Pfund-Note hervor, die er rasch zusammenrollte – darin geschickter –, um sich zu einer Röhre zu verhelfen, durch die er das an Puder erinnernde Pulver inhalieren konnte. ›Genau‹, dachte ich, ›hier riecht es ein bißchen nach Puder. Wie sauber, diese Behinderten‹, obwohl ich mehr und mehr daran zweifelte, daß in dieser Diskothek seit langer Zeit überhaupt einer hereingekommen war, vielleicht war diese Toilette noch gar nicht eingeweiht, eine ganz neue Errungenschaft. ›Oder aber es ist kein Koks, sondern Puder, was Tupra ihm verpaßt hat‹, auch dieser Gedanke ging mir durch den Kopf. Ich sah, wie De la Garza seinen Kopf neigte und den Hals nach vorn streckte, er schickte sich an, seine Linie zu sniefen oder durch die linke Nasenhöhle die Hälfte von ihr, er hielt sich die rechte mit dem Zeigefinger zu. ›Er wirkt wie ein zum Tode Verurteilter alter Zeiten‹, dachte ich, ›der seinen besiegten Nacken, seinen nackten Hals dem Hackbeil oder der Guillotine darbietet, der Klodeckel als Stumpf oder Klotz, und wenn er hochgeklappt wäre, würde die Kloschüssel als Korb dienen und der Kopf hineinfallen wie Erbrochenes und nicht rollen.‹

I n diesem Augenblick hörte ich die Stimme Tupras, der mit Bestimmtheit zu mir sagte:
    »Geh zur Seite, Jack.« Zugleich faßte er mich an der Schulter, gebieterisch, aber nicht schroff, und schob mich weg, er schaffte mich aus dem Weg, ich meine, fort von der Schwelle des Kabinetts, das fast wie ein kleines Zimmer war, vielleicht hatte

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