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Dein Gesicht morgen: Tanz und Traum (German Edition)

Dein Gesicht morgen: Tanz und Traum (German Edition)

Titel: Dein Gesicht morgen: Tanz und Traum (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Javier Marías
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seinen Rücken rammte. Zum Glück waren sie stumpf, aber trotzdem mußte das äußerst schmerzhaft für ihn sein, Tupras Stoß war mit voller Kraft erfolgt. Nach dem Aufprall sackte De la Garza zusammen, mit einem Aufheulen, das widerstandslos und ohne Luft war. Das Hemd war ihm aus der Hose gerutscht, und ich entdeckte verblüfft – auch mit Scham oder es war fast Mitleid –, daß der Diplomat Schmuck im Bauchnabel trug, etwas wie einen kleinen Diamanten oder vielleicht eine Perle, bestimmt Flitterkram, Imitation, unecht. ›Heiliger Himmel‹, dachte ich, ›er will sich um jeden Preis supermodern fühlen, und der Zigeunerinnenohrring und das Haarnetz haben ihm nicht genügt, ob er das wohl immer trägt, sogar in der Botschaft, oder nur, wenn er sich verkleidet, um groß auszugehen?‹ Tupra griff ihn sich erneut und zog ihn hoch, wieder an der Hemdbrust gepackt, er schleifte ihn ein Stück weg und schleuderte ihn abermals gegen die Metallstange der Krüppel, es war die unbewegliche, ich hatte das Gefühl, daß sie sich jetzt in seine Schulterblätter bohrte. De la Garza war eine Puppe, ein Sack, er war von Kopf bis Fuß naß und blaugefleckt, hatte Risse am Kinn und an der Stirn und einen Schnitt am Wangenknochen, uno sfregio , die Kleidung in völliger Unordnung und an mehreren Stellen zerrissen, und seine Schmerzenslaute waren sehr schwach, kaum mehr als das unvermeidliche Stöhnen jedesmal, wenn sein Rücken gegen diese Stange prallte, denn Reresby machte weiter, sehr gleichmäßig und rasch: er zog ihn hoch, entfernte ihn ein wenig von der Wand und schleuderte ihn gegen den Rammsporn, wahrscheinlich brach er ihm die Rippen, wenn er ihm nicht schwerere innere Verletzungen zufügte, der ganze Brustkorb des Attaché hallte wider und sein Inneres knirschte, und bei jedem Aufprall war es, als würde ihm die Luft wegbleiben. Reresby tat es insgesamt fünfmal, so als würde er abzählen, mit Geduld und Disziplin, als hätte er es so geplant. De la Garza verteidigte sich in keinem Augenblick (er konnte auch nicht mehr den Kopf einziehen oder sich die Ohren zuhalten), ich weiß nicht, ich nehme an, man merkt, wenn man es nicht tun kann, wenn die Kraft und Entschlossenheit des anderen – oder die Zahl, wenn es mehrere sind; oder die Waffen, wenn man wehrlos ist – so überlegen sind, daß man nichts tun kann als hoffen, daß er ermüdet oder beschließt, ein Ende zu machen, auch Rafita dachte bestimmt an das Schwert, voll Furcht und mit etwas Hoffnung, während der Angriffe, während der Prügel, so wie vielleicht Emilio Marés in den Gefilden von Ronda, als er sich zunächst von den Banderillas und dann von der Pike heimgesucht sah: ›Sie tun es. Sie tun es im Ernst, diese Schweinehunde, diese Bestien‹, muß er damals gedacht haben. ›Sie hetzen mich wie einen Stier, am besten, sie versetzen mir so rasch wie möglich den Todesstoß und treffen, damit sie mir nicht den Gnadenstoß geben müssen mit dem, was sie zur Hand haben, sie sind imstande, einen Nagel zu benutzen.‹
    Als Tupra fertig war, wandte er sich an mich und sagte:
    »Jack, übersetz ihm das, ich will, daß er es kapiert und ihm das klar ist.« Und er fügte hinzu, bevor er anfing: »Hast du einen Kamm?«
    De la Garza lag endlich am Boden, er wirkte wie gelähmt, und Sir Blow oder Sir Punishment oder Sir Thrashing würde ihn nicht einmal mehr mit Gewalt hochziehen können, wenigstens war er nicht Gevatter Tod in meinen Augen. Reresby betrachtete sich im Spiegel, während er sprach, er ordnete ein wenig sein Hemd, rückte sich das Jackett zurecht, zog die Weste glatt, im übrigen sah er aus wie immer, er war nicht einmal sehr zerzaust. Er richtete sich die Krawatte, justierte den Knoten, alles mittlerweile ohne seine durchweichten Handschuhe, die er angewidert neben dem Waschbecken abgelegt hatte. Als er sie trug, hatte er nicht ein einziges Mal mit der Faust oder mit der offenen Hand zugeschlagen – auch nicht mit dem Fuß –, sämtliche Schläge waren in Wirklichkeit mittels eines Gegenstandes erfolgt, der Toilettenschüssel, der zylindrischen Stange und sogar des Haarnetzes und der Wasserfluten, er mußte wissen, was mein Vater mir vor Zeiten gesagt hatte, nämlich daß derjenige, der einen direkten Schlag austeilt, sich eine kaputte Faust holen kann. In Spanien hat man immer um derlei Bequemlichkeiten in Sachen Gewalt gewußt: 1808 (es ist ein Beispiel), während des Halbinsel- oder Unabhängigkeitskrieges, betrachteten die Truppen

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