Dein Gesicht morgen: Tanz und Traum (German Edition)
Filanghieris, der Gouverneur von La Coruña und Italiener war, was ihn noch verdächtiger machte (er war kein »Blitz-und-Feuer-Spanier«), ihren Anführer als Verräter an der Sache, weil er ein wenig zögerte, die Sache der Unabhängigkeit zu verkünden ( he lingered , nur aus strategischer Vorsicht, führte er an, aber es war schon zu spät); sie rammten also ihre Bajonette in den Boden, mit der Spitze nach oben (das geschah anscheinend in Villafranca del Bierzo, wo sie sich, ich weiß nicht warum, befanden), und warfen ihren General einige Male darauf, bis endlich irgendein lebenswichtiges Organ durchbohrt und ein Weitermachen sinnlos wurde, womit sich die Meuterer die Anstrengung ersparten, sie ihm mit eigener Kraft hineinzustechen, und den angehenden Toten Filanghieri sich selbst aufspießen ließen. Es war anscheinend nicht das erste Mal, daß man auf diese müßiggängerische Methode zurückgriff, die vielleicht im 3. Jahrhundert vor Christus von den Karthagern eingeführt worden war, mit Lanzen gegen den römischen General Atilius Regulus; und ein Engländer, der Spanien bereiste, wies darauf hin, daß die Ermordung schikanöser, despotischer, inkompetenter und miserabler Generäle und Heerführer, die im Lauf der Geschichte auf unserer Halbinsel generell das Kommando übernommen haben (gute Vasallen, schlechte Herren immer), eine »eingewurzelte iberische Kriegslist« sei. Er stellte ebenfalls fest: »Hilfe Spaniens spät oder nie« (Filanghieri eilte derjenige zu Hilfe, der sein Nachfolger sein sollte, aber lange nachdem jener bis zum Überdruß und erfolglos als Fakir auf die Probe gestellt worden war), woran ich denken mußte, als ich mich über De la Garza beugte, um mich folgenlos und vage für seinen üblen Zustand zu interessieren, es war nicht viel zu machen in jenem Augenblick, er war fertig, der Laffe, halb bewußtlos und am Boden, wer weiß, ob nicht für lange Zeit verkrüppelt, ich hoffte, nicht für immer, oder er würde sich daran gewöhnen müssen, diese Art von Toiletten aufzusuchen. Ich fragte mich also, ob der Name Tupra in seinen Ursprüngen nicht entfernt mit alten, faulen Landsleuten von mir zu tun hatte.
»Einen Kamm?« antwortete ich, leicht pikiert. Ich dachte an Wheelers Äußerung über die Latinos, in seinem Garten am Fluß, nach den Mutwilligkeiten des Hubschraubers. Ihr Ruf, eitel zu sein. »Wie kommst du darauf, daß ich einen Kamm bei mir habe?«
»Ihr Latinos habt doch gewöhnlich einen dabei, oder? Sieh mal nach, ob er einen hat.« Und er machte eine Kopfbewegung zu dem am Boden Liegenden hin.
Ich verzog das Gesicht, es schien mir zu weit zu gehen, daß Reresby obendrein noch von dem Kamm profitierte, den De la Garza sicher bei sich trug, wenn er ihn nicht bei dem ungleichen Kampf oder zuvor beim erregten Tanzen verloren hatte. Ich schämte mich, den Geschlagenen, den so leicht Besiegten zu durchsuchen. Also holte ich meinen hervor, obwohl ich ihm damit recht gab.
»Sehr schlau«, sagte ich zu Tupra und reichte ihn ihm. Das mit unseren Kämmen war anscheinend eine verbreitete Vorstellung auf der großen Insel.
Aber es machte mir nicht viel aus, daß ich sie ihm bestätigte: plötzlich fühlte ich mich ungeheuer erleichtert, weil die Sache zu Ende und De la Garza am Leben war und ich ihn tot gesehen hatte. Mausetot, zerteilt, in Kopf und Rumpf verwandelt. Die größte Gefahr war Vergangenheit, so schien es, wenn auch eine noch frische Vergangenheit, es ist phantastisch und auch irritierend, wie der Umstand, daß etwas aufhört, gleichsam eine falsche, vorübergehende Aufhebung des Geschehenen mit sich bringt. ›Da er ihm nicht mehr zusetzt, ist es fast so, als hätte er ihm nie zugesetzt‹, denken wir in unserer maßlosen Anbetung der Gegenwart, die in steter, wahnwitziger Zunahme begriffen ist. ›Da es nicht mehr brennt, ist es fast so, als hätte es nicht gebrannt. Da sie nicht mehr bombardieren, ist es fast so, als hätten sie nicht bombardiert. Ja, da sind die Toten und die Verstümmelten und die verbrannten und zerstörten Häuser, aber das ist vorbei, das ist schon geschehen, ist schon früher , und niemand kann es ändern oder ungeschehen machen, und wenigstens jetzt töten sie nicht, verstümmeln sie nicht und zerstören sie nicht, nicht, während ich hier bin bei meinem Tun und atme.‹ Diese Gedanken gehen uns immer dann durch den Kopf, wenn es zu einem dieser heutigen, mehr oder weniger im Fernsehen erscheinenden Kriege kommt, für die die Alten wie mein
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