Dein Gesicht morgen: Tanz und Traum (German Edition)
aber wie ein thug oder ein hitman oder ein goon , nicht wie ein Killer, denn ich hatte noch niemandem ein Haar gekrümmt und gedachte auch nicht, es zu tun. Wie ich auch erwartete, daß mir niemand eins krümmen würde, mit Schwert oder ohne, mit Kamm oder ohne.
W ieviel ich von ihm ahnte oder wußte und wieviel er von mir, konnte ich nur vermuten, man kann nicht nach Belieben, straflos, verborgen oder unsichtbar wie der Zuschauer zu Hause oder das bereits gewordene Gespenst jemanden durchschauen, von dem man seinerseits ergründet und durchschaut wird, jemanden beobachten, der einen mit ebensolchen Fähigkeiten und mit den gleichen oder ähnlichen Waffen beobachtet, die womöglich besser sind, oder vielleicht kommt es dann zu einer sterilen gegenseitigen Neutralisierung, einer Undurchdringlichkeit, einer Blockade, zu Annullierung und Blindheit – Frieden und Abschreckung wie im Kalten Krieg –, zur wechselseitigen Entschärfung des Fluches oder der Gabe, auf beiden Seiten gelähmt und nutzlos, wenn das Gegenüber ein Geist ist, der ebenfalls unter ihm leidet oder sie besitzt, wenn denn Wheeler und er die Wahrheit sagten und nicht logen und ich tatsächlich auf der Höhe ihrer Voraussagen war. Ich zweifelte noch immer so sehr daran, daß ich es in Wirklichkeit nicht glaubte, obwohl ersterer sich auf die Autorität von Rylands berufen hatte, die durch nichts mehr in Frage gestellt werden konnte, und mir eingeredet hatte, daß ich sie bis zu einem gewissen Grad besaß, und obwohl ich mich in dem namenlosen Gebäude an jedem Tag unseres blinden Tuns ein wenig mehr vorgewagt hatte, angetrieben von der Überzeugung der anderen oder von ihren Forderungen: »Sag mir, was noch, hör nicht auf, was siehst du noch, egal was, sag es schon, unverzüglich, don’t delay or linger , das Vorletzte, was uns interessiert, ist, daß du dich zurückhältst, daß du zweifelst, daß du dir den Rücken frei hältst, wir bezahlen nicht für deine Vorsicht und haben dich auch nicht deshalb angestellt, und das Letzte, was wir wollen, ist, daß du nichts weißt und uns nichts sagst. Alles hat seine Zeit, um geglaubt zu werden, denk daran, also verschweig nie etwas, nicht einmal, um dich zu retten, hier besteht kein Grund dazu, und es gibt auch keine Katze, die einem von uns die Zunge abfressen könnte, keinem der fünf, und es kommt auch nicht in Frage, sie zu verschlucken. Nicht einmal dann, wenn du ersticken wolltest …« Oder aber: »Du hast erst angefangen, mach weiter. Los, rasch, beeil dich, denk weiter. Das Interessante und Schwierige ist das Weitermachen: weiter denken und weiter schauen, wenn man das Gefühl hat, daß es nichts mehr zu denken und nichts mehr zu schauen gibt, daß es verlorene Zeit ist, fortzufahren. Das Wichtige ist immer da, in der verlorenen Zeit, dort, wo man annehmen könnte, daß es nichts mehr gibt. Also sag mir, was noch, was fällt dir noch ein, und was bietest du noch an und was hast du noch. Denk weiter, rasch, hör nicht auf, los, mach weiter.« Das sagte uns unser Vater von Kindheit an, wenn wir miteinander sprachen.
Und diese mögliche Situation eines Unentschieden oder eines Patts und eines Verzichts, eines ausbleibenden Duells, eines Sich-Enthaltens unter Gleichen konnte nicht nur mit Tupra und natürlich mit Wheeler eintreten, sondern auch mit den anderen drei, mit der jungen Pérez Nuix und Mulryan und Rendel, und wer weiß ob sogar mit Branshaw und Jane Treves, gegebenenfalls. Oder mit Frau Berry.
Als Manoia verschwunden war (was für ein Trab), betrachtete Tupra mich sehr ernst, fast ominös, auf dem Bürgersteig, vor den Lichtern des Hotels Ritz, des Restaurants Ritz, des Ritz-Clubs. Dann lächelte er mich offen an und sagte:
»Soll ich dich ein Stück mitnehmen? Es ist doch Dorset Square oder ein Platz in der Nähe, oder? In dieser Gegend.«
Das wußte ich zum Beispiel, daß er meine Adresse ganz genau kannte und dies verschleierte, indem er im Ungefähren blieb, bestimmt kannte er sogar Stockwerk und Nummer und Buchstaben meines Apartments auswendig, wie bei all seinen Mitarbeitern. Ich wußte auch, daß er mich mitnehmen wollte , aus irgendeinem Grund, der über das Entgegenkommen hinausging. Er wollte vermutlich reden, das Vorgefallene ein wenig kommentieren. Oder mich warnen. Oder mir Ratschläge erteilen und womöglich Anweisungen für künftige Gelegenheiten nach meiner Feuertaufe als Zeuge und mit Stichwaffe. Ich glaubte nicht, daß er die Absicht hatte, mir Erklärungen zu
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