Dein Gesicht morgen: Tanz und Traum (German Edition)
geben oder sich zu entschuldigen, allenfalls, die Wogen zu glätten. Aber etwas wollte er. Ich nahm daher an, daß er mich am Ende in seinem Aston Martin nach Hause fahren würde, nolens volens . Und daß er, sollte ich das Angebot ablehnen, darauf bestehen würde. Und daß er, sollte ich mich weigern, nicht lockerlassen würde.
»Das ist nicht nötig, ich werde ein Taxi nehmen«, antwortete ich, und er mußte bemerkt haben, daß meine Empörung noch immer anhielt.
Wir standen beide vor dem Ritz, auf dem Bürgersteig, unter dem überdeckten Eingang oder Säulenvorbau; er hatte die vordere Wagentür offen gelassen, während wir uns rasch von dem katholischen Ehepaar verabschiedeten, die linke, die des Beifahrers, das heißt diejenige, durch die ich ausgestiegen war. Der Uniformierte trat von einem Fuß auf den anderen, so als seien sie kalt geworden. Er überwachte uns ungeduldig, hier konnte man natürlich nicht parken, kaum anhalten.
»Auf, komm, das macht mir nichts aus, nach alldem bin ich hellwach. Es werden gerade mal zehn Minuten sein, es ist das mindeste, du hast es dir verdient. Auf, steig ein, wir stören hier.«
Ich hätte ein Taxi anhalten können, und dann wäre nichts zu machen gewesen, aber in dem Augenblick fuhr keines vorbei, und der Taxistand des Hotels mußte sich hinter einer Straßenecke befinden, er war nicht zu sehen, oder aber er befand sich an Ort und Stelle und war nicht besetzt. Aber jetzt wußte ich außerdem noch bestimmter, daß er Interesse daran oder vielmehr die Absicht hatte, mich nach Hause zu fahren.
Die Aussicht behagte mir nicht. Ich hätte ihn lieber in jener Nacht endlich aus den Augen verloren und mich nicht in die Gefahr begeben, ihm die Stirn zu bieten und Vorhaltungen zu machen und Rechenschaft von ihm zu fordern, und es erschien mir unmöglich, es nicht zu tun, allein mit ihm bei der Fahrt. Am nächsten Morgen – wir würden spät anfangen, das war die Regel, wenn wir aus Gründen der Arbeit die Nacht durchmachten, die Arbeitszeit war im allgemeinen flexibel – würde ich ruhiger und eher einverstanden sein, glaubte ich. Und obwohl er genau wußte, wo ich wohnte, war es mir nicht wirklich angenehm, daß er sich meinem Territorium näherte, in meiner Gesellschaft, während ich es nicht wußte. Wenn jemand jemanden absetzt oder ihm folgt oder nachgeht oder hinterherspioniert und ihn bei Einbruch der Dämmerung oder der Dunkelheit in seinen Hauseingang gehen sieht, dann hat er schon sehr viel mehr gesehen, als es den Anschein hat und als er sollte: er hat gesehen, daß der andere gleichsam den Rückzug angetreten hat, wahrscheinlich müde und sogar kurz davor, sich gehenzulassen nach dem langen Tag der Verstellung und Anstrengung und des falschen Alarms; und er war außerdem bei etwas dabei, das wir jeden Tag wiederholen, vielleicht das Alltäglichste, nach außen Sichtbare. Die Leute lassen sich ohne Probleme begleiten oder mitnehmen oder sind dankbar dafür und erwarten es, wie Frauen oft; aber es ist, als wüßte dieser Jemand von diesem Zeitpunkt an, wo er uns finden kann – wüßte es mit seinen eigenen Augen und bewahrte das Bild, das ist etwas anderes als das bloße Wissen – und etwa zu welcher Stunde. (Tatsächlich ist es das erste, was Diebe und Entführer, Vergewaltiger und Mörder, Spione und Polizisten herausfinden und beobachten: wann man nach Hause kommt, wann man zu Hause ist oder niemand da ist, je nach ihren Absichten und je nachdem, ob es ihnen zupaß kommt, daß man da ist oder kein anderer da ist.) Ja, es bedeutet etwas, in seinem eigenen Bereich oder in seiner Nähe gesehen zu werden, und erst recht, wenn man die vier oder fünf Stufen hinaufsteigt, die die Straße von der eigenen Haustür in London trennen, diese mit dem eigenen Schlüssel aufschließt, hineingeht, sie mit der unfreiwilligen Langsamkeit der müden Geste schließt. Nach zwei Minuten wird man unsere Lichter und unsere Balkontüren vom Bürgersteig oder von den Bäumen und der Statue aus erkennen – oder dort waren es Fenster; und dann kann man sich uns schon besser in unseren Innenräumen vorstellen oder erahnen, die Art Beleuchtung kennen, die uns gefällt, und man kann sogar unsere Gestalt ausmachen, wenn wir uns den Fensterscheiben nähern, sie in ihrem privaten Rahmen betrachten, wenn wir uns hinauslehnen, um eine Zigarette zu rauchen oder die Abenddämmerung zu bewundern, den leichten Wind zu spüren oder die Pflanzen zu gießen oder nachzusehen, wer an einem
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