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Dein Gesicht morgen: Tanz und Traum (German Edition)

Dein Gesicht morgen: Tanz und Traum (German Edition)

Titel: Dein Gesicht morgen: Tanz und Traum (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Javier Marías
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regnerischen Abend bei uns klingelt, nachdem er uns lange Zeit gefolgt ist, sie und ich mit Regenschirm und sie mit einem weißen Hund, tis tis tis machte der Hund beim Gehen, das fast ein Fliegen war. Und vom Platz her, aus der Entfernung oder vor allem von den gegenüberliegenden Häusern, von dem des freudigen Tänzers aus, konnte jemand uns beide gesehen haben, während wir miteinander sprachen, während die junge Pérez Nuix mich um einen lästigen, alles andere als leichten Gefallen bat und mir erklärte, warum unsere Kunden jetzt nicht immer vom Staat kamen, nicht immer von der Armee, von der Flotte, von einem Ministerium oder einer Botschaft, von New Scotland Yard oder der Justiz, vom Parlament, der Bank von England, den Geheimdiensten, dem MI6, dem MI5 oder sogar Buckingham, der Krone; und auch während sie meine zahlreichen Fragen beantwortete, einige, ohne daß ich sie ihr hätte stellen müssen, und andere, nachdem sie sie von mir gehört hatte. »Was weißt du über die Kriminellen« und »Wer sind die wet gamblers « und »Über wen soll ich lügen oder schweigen, um dir einen Gefallen zu tun« und »Du hast mich noch nicht um den Gefallen gebeten, ich weiß noch immer nicht, worin genau er besteht« und »Wie viele Jahre bist du schon dabei, in welchem Alter hast du angefangen, wer oder wie warst du vorher« und »Was sind das für private Privatpersonen, und wie kommt es, daß du dieses Mal so viel über diesen Auftrag weißt, über seinen Ursprung, seine Herkunft«. Es konnte nicht mehr »nur ein Augenblick« sein, es war schon keiner mehr, wie sie angekündigt hatte, nachdem sie von der Straße her »Ich bin’s« gesagt hatte. (Alles zieht sich sogleich in die Länge oder verwickelt sich, oder alles neigt dazu, kleben zu bleiben, es ist, als bringe jedes Handeln seine Fortsetzung mit sich und als lasse jeder Satz einen Leimfaden in der Luft hängen, der sich nie durchtrennen läßt, ohne dabei noch etwas klebriger zu werden. Alles beharrt und dauert von selbst fort, auch wenn man sich dafür entscheidet, sich zurückzuziehen.)
    Und jedes Mal, wenn ich eine Frau mit nach Hause genommen habe, als ich Junggeselle war oder zu jener Zeit in London (ich meine, um die Nacht hier zu verbringen, oder nicht ganz, um eine Weile in meinem Bett zu verbringen), habe ich gefürchtet, sie könnte erneut an dem von ihr bereits besuchten Ort auftauchen, ohne eingeladen oder gebeten zu werden: aus ebendiesem Grund, allein deshalb, weil sie ihn betreten und gesehen hat, wie ich an ihm lebe, und das Bild bewahrt hat. Und ich habe es oft mit Grund gefürchtet. Und wenn eine durch meinen Willen und mit meiner Erlaubnis oder sogar auf meinen Ruf und mein Verlangen hin in dieses Territorium zurückgekehrt ist, dann gibt es ein Zimmer, das sie nicht betreten darf, nicht einmal, um uns zu begleiten, wenn wir ein Getränk holen wollen oder einen kleinen Imbiß zubereiten, wenn wir nicht wollen, daß sie sich einrichtet, wenn wir dazu nicht bereit sind; und dieses Zimmer ist nicht das Schlafzimmer, das gleichgültig ist, sogar um die Nacht darin zu verbringen, und auch nicht das Badezimmer, die der allein lebenden Männer sind kaum phantasievoll; es ist vielmehr die Küche, denn wenn eine Frau sie betritt, um weiterzureden, während wir uns zu schaffen machen, oder uns dabei zu helfen, ohne daß wir sie darum gebeten oder es vorgeschlagen hätten; wenn sie uns aus eigenem Antrieb oder fast instinktiv, wie die Enten, dorthin folgt, dann will sie höchstwahrscheinlich sine die an unserer Seite bleiben – dort probiert oder wittert sie einen Augenblick Zusammenleben –, auch wenn sie es nicht weiß und es das erste Mal ist, daß sie kommt, und es sogar aufrichtig abstreiten würde, wenn jemand es ihr auf den Kopf zusagen sollte. Vielleicht war das eine der trivialen Lehren meiner Gabe oder meines Fluches, wenn ich sie besaß.
    Tupra war keine Frau und würde auch nicht bleiben, er würde nicht einmal in meine Wohnung hinaufgehen, sondern nur bis zum Platz kommen und mich vor meiner Haustür absetzen, in seinem schnellen Aston Martin. Und dennoch gefiel mir die Vorstellung nicht, denn ich konnte mir gut ausmalen, wie er danach oder in einer anderen Nacht, in einer anderen Dämmerung, an einem anderen Tag oder Morgengrauen von den Bäumen oder der Statue aus spionierte und mein Fenster überwachte oder im gegenüberliegenden Hotel auf der Lauer lag, den Blick auf meine Lichter und meine Guillotine und die mögliche Frau

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