Dein Gesicht morgen: Tanz und Traum (German Edition)
gerichtet, die vielleicht zu mir gekommen war, nicht unbedingt, um eine Weile in meinem Bett zu verbringen. Und darauf wartete, daß sie herauskäme. Nicht umsonst war er mir von Anfang an wie jemand erschienen, der eher auf den Straßen zu Hause war als auf den Teppichböden, weniger erfahren in den Büros als außerhalb von ihnen.
Ich öffnete die angelehnte Tür des Wagens und stieg ein, ohne ihm eine Antwort zu geben. Er ging um ihn herum und stieg auf seiner Seite ein. Ich nannte ihm meine genaue Adresse, mit besonderem Nachdruck, nehme ich an, so als wäre er ein Taxifahrer, das war alles. Ich wußte, daß ich mich während der Minuten des Alleinseins, die uns bevorstanden, nicht würde beherrschen können, aber ich war nicht sicher, wie ich anfangen sollte, vielleicht war es nicht gut für mich, es zu sehr zu überstürzen, trotz meiner Wut, und mit dem ersten Vorwurf herauszuplatzen, der mir auf der Zunge lag, der womöglich zweitrangig wäre, nur ein Detail im Vergleich mit der Schwere des Ganzen. Ich hatte noch nicht beschlossen, die Arbeit aufzugeben, ich mußte mir das mit mehr Abstand überlegen und mich mit der Vorstellung anfreunden, wieder zu Radio BBC zurückzukehren mit seiner schlecht bezahlten Langeweile. Ich wartete ein paar lange Sekunden, das Auto fuhr bereits und beschleunigte, um zu sehen, ob er etwas sagte und mir so ein Stichwort gab. ›Er wird es nicht tun‹, dachte ich, ›er vermag das Schweigen zu ertragen, das von ihm bestimmte.‹ Er hatte Interesse daran, mich nach Hause zu bringen, aber vielleicht nicht, mich zu belehren oder zu tadeln (durch meine Schuld hatte De la Garza sich an uns gehängt), auch nicht, mir gegenüber irgend etwas klarzustellen, sondern daran, zu hören, wie ich mir in noch hitzigem Zustand Luft machte, mich »naßmachte«, wie Don Quijote sagte, und auf diese Weise zu ermessen, wie weit meine Fähigkeit ging, mich zu empören. Nach kurzer Zeit wurde das Schweigen das von zwei Personen, die nicht miteinander sprechen wollen.
»Die Gegend, wo du wohnst, ist nicht gerade billig«, murmelte er schließlich; also entsprang das Schweigen, schloß ich, nicht seiner Entscheidung und seinem Willen, und diese Art ertrug er am allerwenigsten: seine Vehemenz oder seine ständige Anspannung forderten von ihm, alle Zeit mit greifbaren, hörbaren, erkennbaren oder berechenbaren Inhalten zu füllen. Der ganze Wagen, jetzt ohne Flavias Interferenzen oder die Konkurrenz ihres Duftes, roch nach seiner Aftershave-Lotion, es war, als bliebe sie an ihm haften oder als würde er sie ständig heimlich erneut auftragen. Ich hatte nicht gesehen, daß er es vor dem Spiegel der Krüppel getan hätte. Ich kurbelte mein Fenster etwas herunter.
»Nein, sie ist nicht billig, eher teuer«, antwortete ich, fast ohne es zu wollen. »Aber ich gebe mein Geld lieber dafür aus, ich meide die Schäbigkeit wie die Pest.« Plötzlich fiel mir auf, daß Tupra seit einer Weile nicht mehr seinen Mantel trug, weder angezogen noch über der Schulter, auch nicht über dem Arm, ich hatte weder gemerkt, wann er ihn abgelegt noch wo er ihn gelassen hatte, vielleicht war es beim Verlassen der Diskothek gewesen, oder er hatte einen raschen Austausch an der Garderobe vollzogen, ohne daß es mir aufgefallen war. Ich wandte den Kopf, um zu sehen, ob er auf der hinteren Ablage lag, hinter den Rücksitzen. Aber ich sah ihn nicht, wo war es also, das verdammte Schwert. »Und das Schwert«, sagte ich.
Tupra – er war wohl nicht mehr Reresby, obwohl die Nacht noch nicht zu Ende war – nahm sich eine Zigarette, zündete sie mit dem Anzünder des Wagens an, einen Augenblick lang fiel Licht auf seine glatten, bierfarbenen Wangen, sie sahen aus wie frisch rasiert. Dieses Mal bot er mir keine seiner wertvollen Ägypter an. Ich holte eine meiner Peloponneser heraus, um es zu unterstreichen, ich zündete sie nicht sofort an.
»Wieso. Es ist im Kofferraum.«
»Ich meine, was sollte dieses Schwert. Wie kommt es, daß du es bei dir trägst. Es war brutal, es ist barbarisch, ich habe geglaubt, du würdest ihm wirklich den Kopf abschlagen, ich wäre fast gestorben, du bist wahnsinnig, was soll das, wo sind wir denn, du bist eine Bestie, wieso war das nötig …«
Ich hatte es schließlich hervorgesprudelt, hatte die Zügel schießen lassen, obwohl seine Antwort (»Wieso. Es ist im Kofferraum«) im gleichen schlüssigen oder abschließenden Ton gesagt worden war, in dem er mir einmal in seinem Büro geantwortet hatte
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