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Dein Gesicht morgen: Tanz und Traum (German Edition)

Dein Gesicht morgen: Tanz und Traum (German Edition)

Titel: Dein Gesicht morgen: Tanz und Traum (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Javier Marías
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Wort entgehen zu lassen oder eine einzige Silbe als einfach so dahingesagt aufzufassen. Bisweilen neigte ich zu letzterem, und die Erschöpfung war gewaltig, eine ständige Anspannung. »Natürlich ist das nicht wenig, wenn man in seiner Nähe weniger angenehme Leben gesehen hat«, fügte Tupra oder Reresby hinzu und begann instinktiv nach einem Platz Ausschau zu halten, wo er parken konnte, bis ihm plötzlich einfiel oder er so tat: »Die vom Restaurant werden den Wagen für uns parken.«
    ›Was kann man überhaupt erwarten, wenn es um Ablösungen oder Ersatz geht‹, dachte ich, während wir beide aus dem Aston Martin stiegen und Tupra dem Portier die Schlüssel und ausführliche, genaue oder besser manisch genaue Anweisungen gab. ›Die Bewunderten wie die nicht Bewunderten oder die Verachteten, die Meister wie die Jünger, Tupra oder ich oder diese fröhliche Frau, was für Hoffnungen stehen uns zu‹, sagte ich mir, jetzt ohne ihn zu beachten, er sprach nicht für meine Ohren. ›Man findet sich mit dem ab, was kommt, und sieht es schon als Wohltat, daß überhaupt etwas oder vor allem jemand kommt, so reduzierte Versionen des Abgehakten oder Abgebrochenen oder der Betrauerten sie auch sein mögen; es ist schwierig, es kostet große Mühe, die verlorenen Gestalten unseres Lebens zu ersetzen, man wählt wenig oder gar nicht, man muß sich dazu durchringen, die freien Plätze zu besetzen, wie schlecht finden wir uns damit ab, daß die Gesamtheit sich verringert, ohne die wir uns nicht ertragen und uns kaum halten können, und doch verringert sie sich immer, wenn wir nicht sterben oder nicht sehr bald, man muß nicht alt oder auch nur reif werden, es genügt, wenn wir auf einen geliebten Toten zurückblicken oder auf einen geliebten Menschen, der sich in einen von uns gehaßten oder ignorierten verwandelt hat, verabscheut und ausgelöscht wie kein anderer, oder wenn wir es für jemanden sind, der sich von uns abwandte oder uns aus seiner Zeit vertrieb, uns den Platz an seiner Seite entzog und plötzlich leugnete, uns zu kennen, ein Achselzucken, wenn er morgen unser Gesicht sieht oder unseren Namen hört, den seine Lippen vorgestern so sanft gemurmelt haben. Ohne es uns zu sagen, ohne es zu formulieren, erkennen wir, wie schwer das Ersetzen ist, während wir uns gleichzeitig alle dafür hergeben, stellvertretend die leeren Plätze einzunehmen, die andere uns im Lauf der Zeit zuweisen, denn wir begreifen diesen Mechanismus und haben Teil an ihm, an dieser ständigen, universalen Rotation der Resignation und des Schwundes oder der Laune bisweilen, die alle und damit auch uns erfaßt, und so akzeptieren wir, daß wir Imitate sind und mehr und mehr von ihnen umgeben leben. Wer weiß, wer uns ersetzt und wen wir ersetzen, wir wissen nur, daß wir immer ersetzen und ersetzt werden, bei allen Gelegenheiten und unter allen Umständen, bei jedem Unterfangen und überall, in der Liebe, in der Freundschaft, bei der Arbeit und beim Einfluß, in der Beherrschung und im Haß, der ebenfalls morgen unser überdrüssig wird oder übermorgen oder einen Tag oder noch einen später. Ihr seid und wir sind nur Schnee auf den Schultern, glatt und sanft, und der Schnee hört immer auf. Ihr seid nicht und wir sind nicht wie der Blutstropfen oder der Blutfleck mit seinem Kreis, der sich weigert zu verschwinden und sich mit aller Kraft auf der Keramik oder dem Boden festsetzt, um sein Verleugnen oder sein Verblassen oder sein Vergessen zu erschweren; es ist seine unzulängliche, unschuldige Art zu sagen »Ich bin gewesen« oder »Ich bin noch, also ist es sicher, daß ich gewesen bin«. Nein, keiner von euch und von uns ist wie das Blut, und außerdem verliert es zum Schluß ebenfalls seinen Kampf oder seine Kraft oder seine Herausforderung und hinterläßt am Ende keine Spur. Es kostete nur mehr Zeit, es zu entfernen, und der Wille zur Vernichtung mußte sich darum bemühen.‹

U nd so kam es, daß Frau Manoia in der Diskothek, nachdem sie beim Abendessen maßvoll getrunken hatte und nun ebenso maßvoll trank, während sie mit Verlangen und einem rhythmischen Fuß der frenetischen Masse der Tänzer zuschaute – aber zwei Mäßigungen zusammen können einen Exzeß bilden – und mich schon Jacopo oder Giacomo in ihrer Sprache und mit der Betonung auf der ersten Silbe nannte und mir natürlich das Du gab und von mir verlangte, es ihr zu geben, wie der Italiener sagt, wenn er zum Duzen übergeht, eine Pause oder einen Wechsel in der Art

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