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Dein Gesicht morgen: Tanz und Traum (German Edition)

Dein Gesicht morgen: Tanz und Traum (German Edition)

Titel: Dein Gesicht morgen: Tanz und Traum (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Javier Marías
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der Musik auf einer der beiden Tanzflächen ausnutzte und darauf bestand, einen langsamen oder nur halblangsamen Tanz zu tanzen, zuerst an ihren Ehemann gewandt, der die Brille absetzte, um sie anzuhauchen und mit einem Tuch zu putzen, und ihr mit einem ablehnenden kurzsichtigen Blick antwortete, dann an Tupra, der sich mit einer geöffneten Hand entschuldigte, mit der er sie auf seine unabgeschlossenen Pflichten als Gastgeber und Geschäftsmann gegenüber dem tanzfeindlichen Ehemann hinwies (zu großer Lärm, um sich anders als ins Ohr schreiend oder nur mit Zeichen verständigen zu können), und schließlich an mich, dem nichts anderes übrigblieb, als ihrem Wunsch zu entsprechen. Mir fiel auf, daß sie trotz des voraussehbaren Ergebnisses ihrer Sondierungen und obwohl vor allem ich es gewesen war, der sich den ganzen Abend um sie gekümmert hatte, und sie mir zu jenem Zeitpunkt ebensoviel Sympathie entgegenbrachte wie ich Zuneigung zu ihr faßte – beides so vorübergehend, daß wir uns am nächsten Morgen möglicherweise nicht einmal daran erinnern würden, beide ohne schlechtes Gewissen –, die Hierarchie der Partnerwahl befolgte, das ließ einen eingewurzelten, starken Sinn für Respekt erkennen.
    Und vielleicht war es das, die Tatsache, daß sie uns drei Männern in der richtigen Reihenfolge die Gelegenheit gegeben hatte, was ihr in ihren Augen gestattete, ihren obligaten partenaire egal wie stürmisch und womöglich auch wenig schamhaft zu umschlingen, ich meine, daß sie sich heftig, fast schmerzhaft gegen mich drängte. Nicht, daß ihr der Sinn danach stand, mir weh zu tun, vielmehr kontrollierte sie nicht ganz ihr wahres Volumen, denke ich (so wie die Rucksackträger sich nicht bewußt sind, wieviel Raum sie einnehmen, denn sie vermögen ihre geliebte Last oder Klette auf dem Rücken beim besten Willen nicht als Teil des Körpers zu empfinden), und konnte sich nicht vorstellen, mit welcher Stoßkraft meine Brust von ihren beiden getroffen wurde, die hart wie Kloben waren und spitz wie Pflöcke – ihr Oberkörper mußte aus Holz oder womöglich aus kompaktem Granit sein. Diese Frau hatte übertrieben, hatte jedes Maß vergessen in ihrem Eifer, sie zu festigen und zu verstreben, sicher in so vielen Etappen, daß ihr Gedächtnis sich irrte in bezug auf die letzte und die Zahl insgesamt. Dem Blick waren sie angenehm, zweifellos schmeichelte ihnen der Ausschnitt in Form eines Kanus oder einer Gondel, aber genaugenommen war es unmöglich, daß die herausragende Zone das geringste Seefahrtsgefühl vermittelte. Was hatte sie nur hineingetan, eingebettet, eingelegt, eingepumpt, eingespritzt oder eingebaut, meine freundliche Frau Manoia, Marmor, eine Festung, Eisen, Grabmäler, Anthrazit, Stahl, es war, als hätte sie mir zwei dicke Stalaktiten oder zwei spitz zulaufende Bügeleisen, aber ohne flachen Teil, hineingebohrt, Buge mit scharfem Kiel, wie ihn dieses Haushaltsgerät hat, aber abgerundet. Für mich war es die Entartung eines zeitgenössischen Wahns und auch eine Zumutung; ich verstand, daß ihr Ehemann es vermied, sich derlei Bollwerken zu stellen, und Tupra, vermutete ich, mit seinem Auge, das rascher und besser war als meines, hatte bestimmt mit einem Blick die Risiken dieses frontalen Zusammenpralls erfaßt (ich meine zwischen dem Mann und jenen horizontalen Pyramiden oder vielleicht Riesenkarbunkeln, denn die Bluse oder das Oberteil mit dem Boot hatte die Farbe eines leicht verwässerten Rotweins, und die neurotischen Lichter der Diskothek ließen es aufleuchten und sogar schillern).
    Es war indes schwer, sich über Flavia Manoia zu empören oder sie zu kränken im Bewußtsein, es tun zu können: zu liebevoll, fröhlich und hilflos, alle drei Dinge zugleich, und nur eines davon hätte genügt, mir eine brüske Zurückweisung oder auch einen verkappten Rückzug unmöglich zu machen. So hielt ich also dem Druck jener hörnergleichen Kegel stand und vertraute darauf, daß sie es sein würde, die bald Distanz, Luft zulassen würde, obwohl das Verb vertrauen unpassend ist, denn in Wahrheit war ich dabei, zu verzweifeln. Reresby hätte recht gehabt, wie fast immer, mit der Empfehlung ihrer Beine, wenn er es denn getan hätte; und man mußte der Dame zugestehen, daß sie die für ihre Figur und Größe perfekte Kürze oder Länge ihres Rockes, drei Fingerbreit über dem Knie, auszuwählen verstand; wenn man sie von weitem sah mit ihrer agilen, tänzerischen Sinnlichkeit, ihrer starren robusten Büste,

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