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Dein Gesicht morgen: Tanz und Traum (German Edition)

Dein Gesicht morgen: Tanz und Traum (German Edition)

Titel: Dein Gesicht morgen: Tanz und Traum (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Javier Marías
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ihren wohlgeformten, leicht felsigen Waden und halben Oberschenkeln sowie ihrem Hintern, der nach Meinung eines Mannes, der sich nicht mit gutem Geschmack aufhalten würde, ein Wackeln wert wäre, konnte sie den Eindruck machen, den sie jeden Abend suchte, und ihren Mann zwingen – sah ich sogleich mit einer Spur Beunruhigung –, sich wieder die nunmehr saubere Brille aufzusetzen, um aus dem Augenwinkel ihre Schritte und ihre Umschlingungen zu überwachen. Der Teufel fordert nicht immer Übertreibungen oder gesteht sie nicht allen zu und paktiert zweifellos mit unendlicher Abstufung, was den äußeren Schein betrifft, vielleicht differenziert er sehr bei den Entfernungen: bisweilen rettet er einen Körper oder ein Gesicht aus der Ferne und im Halbschatten, um sie bei Licht und aus der Nähe zu verdammen und zu ruinieren (das Gegenteil pflegt er nicht zuzulassen). Das war hier nicht der Fall – Frau Manoias Gesichtszüge waren mir im Vong sehr angenehm erschienen, wenngleich nicht verführerisch, das auch nicht gerade –, doch ihr Anblick in exaltierter Bewegung und mit einem Individuum in den Armen war attraktiver als kauend oder Krebse aussaugend im Ruhezustand; jedenfalls attraktiv genug, damit jemand, der in einigen Metern oder Yards Entfernung an einer Bartheke lehnte, sich aufrichtete, um zur Tanzfläche hin zu spähen und zu wittern, und außerdem mit beiden Händen histrionisch zu winken begann, als er das Individuum erkannte, allgemein als Tanzpartner bekannt, das sie mit praktischem Fanatismus an sich drückte.
    Ich erkannte ihn zunächst nicht. Frau Manoia ließ mich so viele Drehungen vollführen – eher als halblangsam tanzte sie halbschnell und ich nach ihrer Pfeife und ihren Befehlen –, daß ich den Blick nirgendwo länger als ein paar Zehntelsekunden fixieren konnte, schlimmer als in einem Karussel. Ich hielt ihn daher zuerst für einen Schwarzen, aufgrund der schlechten Sicht und meines hastigen Trotts und weil er ein sehr helles Jackett mit mächtigen Schulterpolstern trug, das ihm mehrere Nummern zu groß war, und ich habe nur erlebt, daß Angehörige dieser Rasse sich ein derartiges Kleidungsstück zutrauen, weit, aber mit Appretur, sehr gerade, vor allem kräftig gebaute Neureiche mehr oder weniger aus dem Showgewerbe: Athleten, Boxer, Fernsehberühmtheiten, Rapper von der Dandy-Fraktion. Einige Augenblicke lang glaubte ich, er sei einer davon, denn an seinem linken Ohr schimmerte ein Ohrgehänge, mir schien, ein Ring, ein wenig lang und allzusehr pendelnd für die damals in der Welt der ultramodernen Nachtmenschen vorherrschende Mode, ich weiß nicht, ob heute noch (ich gehe weniger aus), als hätte er ihn sich von einer Zigeunerin geliehen oder einem dieser Piraten entrissen, die es seit zweihundert Jahren nicht mehr gibt, zumindest in der westlichen Welt. Zum Glück trug er keinen schmal- oder breitkrempigen Hut, auch kein Tuch, das nach Seeräuberart im Nacken geknotet war, bandanas nennt man sie jetzt (er hätte darauf verfallen können, Entsprechendes zu kombinieren), er trug das Haar nach hinten gekämmt, geölt, an den Kopf geklebt oder eher straff gespannt, so sehr, daß ich auf den zweiten, konfusen Blick fürchtete, er bändige es womöglich mit etwas noch Schlimmerem, das heißt, mit einem schwarzen Netz, wie es Goyas schmucke Burschen aus dem Volk tragen, oder vielleicht habe ich Toreros jener Zeit gesehen, die es stolz auf Stichen und Gemälden zur Schau trugen, die ebenfalls vor allem von Goya stammen. Wenn ich »zum Glück« sage, dann nicht nur, weil alle, die sich heute den Kopf bedecken, mir jämmerlich oder schlicht als Wichtigtuer erscheinen, zumal in Innenräumen (sie wollen sich eher einen originellen biographisch-künstlerischen Anstrich geben, als sich in der Kleidung hervortun, Männer wie Frauen, erstere jedoch affektierter und unentschuldbarer, obwohl letztere zum Ohrfeigen sind, die beret oder feine Baskenmütze tragen, egal, ob gerade oder schief), sondern auch, weil ich dachte, als mir schließlich klar wurde, wer der schwarze oder nicht schwarze Vogel oder Rabe oder Aasgeier an der Theke war (es war ein unbeweglicher Augenblick, den mein vatikanischer Kreisel mir gewährte: sie enthielt sich zehn Sekunden lang des Drehens, und ich konnte schwindelfrei die Gestalt betrachten, die mit den Händen in der Luft herumfuchtelte), daß ich ihn mit Musikerhut oder Freibeutertuch nicht ertragen hätte; nicht den Anblick natürlich und noch weniger seine

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