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Dein Gesicht morgen: Tanz und Traum (German Edition)

Dein Gesicht morgen: Tanz und Traum (German Edition)

Titel: Dein Gesicht morgen: Tanz und Traum (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Javier Marías
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los: Degenstoß bis zum Knauf, bis in die Spanten. Ran ans Fell, und dann kann sie mich.« Er tat, als wollte er mit dem Degen zustechen. Er reihte eine Ungereimtheit an die andere, ein Zeichen dafür, daß er wieder zu sich kam. Ich fragte mich, was für ihn »Spanten« sein mochten, aber ihn würde ich nicht danach fragen.
    »Bottox?« Dies war der Augenblick, in dem ich den Neologismus zum ersten Mal hörte. »Was ist denn das? Und was ist das für ein Wort? Bottox.« Ich sagte es noch einmal, um mich daran zu gewöhnen, das tut man gewöhnlich mit Wörtern, die man nicht kennt. De la Garza hatte seine herabhängenden Stricke Steckkamm genannt, vermutlich hatte er in seinem ganzen Leben keinen solchen gesehen. Das und seine rätselhaften Spanten ermunterten nicht zu der Hoffnung, daß er mir eine Etymologie anbieten würde. Er hielt an dem Vergleich mit dem Stierkampf fest, mit Gestik und allem, das war in der Tat typisch für unsere speziellen Faschisten in der umgangssprachlichen Bedeutung des Wortes oder in der analogen. Nicht die Pose als solche natürlich (selbst ich bin imstande, sie nachzuahmen, wie auch die Figur einer verónica oder eine Rechte; alles allein, wohlverstanden), sondern die selbstgefällige Assoziation der (sagen wir einmal so) Verführungsarbeit mit dem Gefecht gegen einen Kampfstier vor Zuschauern. Vielleicht war sein Geist letzten Endes tatsächlich ein faschistischer, analog gesehen.
    »Ach, das weißt du nicht.« Und er sagte es in einem kindisch herablassenden Ton, so als sei meine Unwissenheit der Beweis für seine größere Weltläufigkeit (die sprach ich ihm nicht ab, weltläufige Deppen gibt es zuhauf, und es werden immer mehr) und dafür, daß er zu Hause war im Schick, der ihm so viel bedeutete (von mir aus konnte er dieses Terrain bis zum allerletzten Tag besetzen, ich gedachte nicht, es ihm streitig zu machen, nicht einmal, es zu betreten). »Ach, das weißt du nicht«, wiederholte er. Er war entzückt, mich über etwas belehren zu können, sozusagen. »Das spritzen sich die betuchten Tussis wie wild, na ja, auch schon einige Typen. Dein Freund bestimmt, zum Beispiel, mir scheint, er spritzt es sich in die Wangen, ins Kinn, in die Stirn, in die Schläfen, gegen die Krähenfüße. Dieser Reresby hat eine sehr feste und faltenlose Haut, bestimmt läßt er sich alle paar Monate die Injektionsnadel einstechen, die Italienerin wird nur Wochen vergehen lassen, was weiß ich. Wenn sie es ihr erlauben.«
    Es stimmte, daß Tupra eine beunruhigend glänzende und glatte Haut hatte für seine mutmaßlichen Jahre, von einem schönen bierfarbenen oder bisweilen sogar pfirsichfarbenen Ton, aber ich hatte nie gedacht, daß dies an irgendeinem Kunstgriff oder einer Behandlung liegen könnte, besser gesagt, ich kam gar nicht auf den Gedanken, daß Männer sich damit behelfen könnten, noch nicht zur damaligen Zeit. Aber wer weiß. Ich war dabei, in mancherlei Hinsicht altmodisch zu werden: mir war die Existenz dieses Bottox und sicher anderer Produkte unbekannt, das war nur ein Beispiel. Na ja, sie war mir noch immer unbekannt, Rafita war nicht die geeignetste Person, um irgend etwas gut zu erklären.
    »Injektionsnadel? Willst du damit sagen, sie spritzen es, regelrechte Injektionen mit Nadel und allem? Was ist das, was Flüssiges, ja? Gegen Falten.« Letzteres war eine Aussage, ebenfalls zur Gewöhnung. Für mich war unvorstellbar, daß jemand sich eine Nadel in die Stirn oder in das Kinn (das mit den Schläfen war nicht glaubhaft) stechen ließ, ohne aus gebieterischen Gründen dazu gezwungen zu sein, und dann dieses Wort … Wenn ich einen Sinn für etwas habe, dann für Sprachen und Etymologien, ich nehme an, daß ich mir angewöhnt habe, darauf zu achten und sie abzuleiten, als ich in Oxford unterrichtete und die (im allgemeinen böswilligen, nervenden) Studenten ständig bei den merkwürdigsten Vokabeln danach fragten, ich mußte oft improvisieren, sie aus dem Stegreif erfinden, wie kann man mitten in einer Unterrichtsstunde wissen, woher papirotazo oder moflete kommen oder woher coscorrón , esgrima oder vericueto stammen. * Jetzt konnte ich mich nicht des Verdachts erwehren, daß Bottox eine (beruhigende, tarnende und überdies bequeme und praktische) Kontraktion des englischen botulin toxin war, das heißt, des so gefährlichen und gefürchteten Giftstoffes Botulin, den, wie Wheeler mir erzählt hatte, der SOE mitten im Krieg extra aus Amerika hatte kommen lassen, um damit die Kugeln

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