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Dein Gesicht morgen: Tanz und Traum (German Edition)

Dein Gesicht morgen: Tanz und Traum (German Edition)

Titel: Dein Gesicht morgen: Tanz und Traum (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Javier Marías
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ich soll ihn dorthin bringen? Unter welchem Vorwand? Und wozu, was willst du?«
    »Sag ihm, du wirst ihm einen blasen.« Reresby war ungeduldig geworden, aber es war nur eine Sekunde: mein befremdeter Blick muß so heftig gewesen sein (ein Ausdruck unverhohlener, unmittelbarer Verärgerung), daß er wahrscheinlich Abwehr oder sogar verschleierte Drohung in ihm las. Und so fügte er sogleich hinzu und löschte damit seinen vorherigen groben Satz (vielleicht hatte nur Reresby das derbe Mundwerk, nicht Tupra oder Ure oder Dundas, und vielleicht war er jeden Abend, der er war, in jeder Hinsicht und mit allen Konsequenzen): »Frag ihn, ob er eine Linie Koks will, Spitzenqualität, erstklassig. Bestimmt läuft ihm das Wasser in der Nase zusammen, während er dort auf mich wartet. Bestimmt hat er nichts dagegen.«
    »Woher weiß du das?« fragte ich. Dann dachte ich, daß dies bei Tupra eine müßige Frage oder eine mit redundanter Antwort war. Er beschäftigte sich hauptsächlich damit, zu wissen, oder das war meine Vorstellung, noch dazu im voraus, künftige Gesichter zu kennen; und im Unterschied zu mir und zu Mulryan und Rendel, vielleicht zu Jane Treves und Branshaw gelegentlich (ob zu Pérez Nuix war zweifelhafter), war es nicht nötig, ihn zu führen oder ihm den Weg des jeweils erforderlichen Wissens zu zeigen. Er war es, der uns anleitete, der entschied, welche Aspekte der Personen uns interessierten oder betrafen, und der uns über das abgesteckte Feld befragte, zum Beispiel, ob der Sänger Dick Dearlove imstande war, zu töten, und unter welchen Umständen, oder ob ein anonymer Mann die Absicht hatte, einen Kredit zurückzuzahlen, so viele unterschiedliche Dinge und so viele Male. Er hatte mich nie gefragt, ob ich glaubte, daß De la Garza Kokain oder Klebstoff oder Opium nahm, in Wirklichkeit konnte ich mich nicht erinnern, daß er jemals nach ihm gefragt hätte, nichts. Und so kam mir der Gedanke erst jetzt. Genaugenommen war es nicht unwahrscheinlich, daß er alles nahm: zu gierig, zu selbstgefällig und leichtfertig und auch ziemlich erregbar.
    »Sag es ihm, und du wirst sehen«, antwortete Tupra, während er Frau Manoia taktvoll seinen Arm reichte und beide sich auf den Weg zur Damentoilette machten. Sie würden eine Schlange vorfinden, ohne jeden Zweifel. »In sieben Minuten mehr oder weniger. Dann werde ich bei euch sein. Unterhalte ihn bis dahin.« Und er zeigte mit seinem Finger wie mit dem kurzen Lauf einer Schußwaffe auf die Tür mit dem aufgemalten Haken, unmöglich, nicht an Peter Pan zu denken, sobald man ihn sah.
    Ich sagte es Rafita, dem es genau wie Flavia einen Augenblick lang die Sprache verschlagen hatte. Das brachte ihn wieder zu sich, ließ Leben in ihn kommen; er zeigte sich interessiert oder eher leicht begierig.
    »Gut, gehen wir«, antwortete er sofort, und wir machten uns auf den Weg und passierten den Haken. Als wir in der Toilette der Versehrten waren, die so leer war wie kurz zuvor, verhehlte er nicht eine gewisse Ungeduld angesichts der Aussicht, sicher dachte er, daß sein Rausch auf diese Weise verfliegen würde, er war in eine Phase leichter Übelkeit eingetreten, die zum Glück nicht schlimm war, er würde sich nicht übergeben, aber er war ein wenig über seine eigenen Füße gestolpert auf dem kurzen Weg mit vielen menschlichen Hindernissen, ich schrieb das zum Teil auch den Auswirkungen seines irren Tanzens zu, das Keuchen ohnehin, dann bemerkte ich, daß seine Schnürsenkel sich gelöst hatten, an beiden Schuhen, er hätte gewaltig hinschlagen und auf der Tanzfläche liegen bleiben können, dort hätten die Horden ihm den Rest gegeben, und wir hätten uns ein paar Unannehmlichkeiten erspart. »Du hast es nicht, nicht du hast es.« Er wollte die Tatsache feststellen.
    »Nein, Señor Reresby hat es«, antwortete ich, und dann kam mir der Gedanke, daß dieser es durchaus wirklich haben konnte oder nicht; für jemanden wie ihn wäre sein Besitz nicht kompliziert, es kann sehr nützlich sein in unseren Zeiten, es anzubieten, und er wußte sich auf jedem Terrain zu bewegen. »Es wird nicht lange dauern, hat er gesagt. Er wollte sehen, ob er die Schmarre ein bißchen kurieren könnte, die du unserer Mausi mit diesen absurden Stricken beigebracht hast, die dir oben aus dem Kopf wachsen, mit diesem Korb.« So, wie die Dinge lagen, machte es mir nichts mehr aus, ihn zur Schnecke zu machen, außerdem gewinnt man im Ausland sehr rasch und ohne jede Grundlage Zutrauen zu seinen

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