Dein goettliches Herz entflammt
ich leise, während ich daran dachte, was für Erfahrungen ich selbst gemacht hatte.
»Genau. In New 2 braucht man sich nicht zu verstecken, aber wenn man es will, ist das auch in Ordnung. Hier verurteilt einen niemand, nur weil man anders ist. Das wollten die Novem von Anfang an.«
Mein Herz setzte einen Schlag lang aus. »Weil sie auch anders sind.« Die Novem waren nicht nur alte Familien mit altem Geld, sie waren anders. Doué hatte Dub das genannt. Sebastian nickte. »Und die anderen aus deiner Familie, die Arnauds, sind die genauso wie du? Können sie Menschen hypnotisieren?«
Er kaute etwas langsamer, während er kurz überlegte. »Ja, können sie.«
Ich wollte ihm glauben. Ich wollte glauben, dass die Novem nichts mit dem Mann, der mich in Covington überfallen hatte, zu tun hatten, dass sie auf meiner Seite standen und im Grunde genommen ganz in Ordnung waren.
Doch im Laufe der Jahre hatte ich gelernt, dass man stets mit dem Schlimmsten rechnen sollte. Das war erheblich besser, als jemandem zu vertrauen, ihm zu glauben und dann bitter enttäuscht zu werden.
Wir tranken unseren Kaffee aus und teilten uns das dritte Beignet. Sebastian beglich die Rechnung. »Bist du jetzt so weit, um mit Josephine zu sprechen?«
Ich stand auf und warf mir meinen Rucksack über die Schulter. »Ob jetzt oder später, dürfte egal sein.«
Acht
Sebastian spielte weiter den Reiseführer, während wir über den Platz gingen. Auf jeder Seite der Kathedrale St. Louis standen zwei riesige historische Gebäude. Die Presbytère, auf der rechten Seite, hatten die Novem zu einer schicken Privatschule umgebaut, die Sebastian eigentlich besuchen sollte, die er aber regelmäßig schwänzte. Und das Gebäude auf der linken Seite war das Cabildo, dessen Erdgeschoss nach wie vor ein Museum beherbergte, das es schon vor New 2 gegeben hatte. Die beiden oberen Etagen waren jedoch von den Novem übernommen worden, die dort nun ihren offiziellen Sitz hatten. Hier fanden auch die Sitzungen des Rates der Neun statt, an denen immer nur das Oberhaupt einer Familie teilnahm.
Außerdem besaß jede Familie Wohnungen und private Büros in den Gebäuden der Pontalba Apartments, die sich an beiden Seiten des Jackson Square entlangzogen.
Offenbar war der Jackson Square so etwas wie die Zentrale der Novem.
Mit jedem Schritt, den ich auf das Gebäude zuging, wuchs meine Anspannung. Ich legte wieder den Kopf in den Nacken, um den hohen Turm der Kathedrale St. Louis anzusehen. »Wie weit kannst du eigentlich deine Familie zurückverfolgen?«
»Der erste Arnaud kam 1777 nach New Orleans. Er war der dritte Sohn einer Adelsfamilie aus der Nähe von Narbonne in Frankreich.«
Bei den Sitzbänken vor dem Eingang der Kathedrale spielte ein Musikertrio. Plötzlich frischte der Wind auf und tief hängende Wolken schoben sich vor die Sonne. Die Luft wurde feucht und kalt, sie roch nach Regen. In dem Moment, in dem wir die Arkaden des Cabildo erreichten, fielen die ersten Tropfen.
Im Innern des Gebäudes empfing uns eine dunkle, gedämpfte Atmosphäre. Es gab eine ständige Ausstellung. Doch ich hatte keine Zeit, mich umzusehen, Sebastian zog mich bereits zu einer Treppe.
Das Foyer im ersten Stock war so umgebaut worden, dass es aussah wie ein schickes Bürogebäude, sogar einen zentralen Empfang gab es. Sebastian ließ meine Hand los, als der Mann am Empfang kurz den Kopf hob, ihn erkannte und sich nach einem kurzen Nicken wieder seiner Arbeit widmete.
Unsere Schritte hallten auf dem Parkett wider, während wir durch eine Galerie an der Stirnseite des Gebäudes gingen. Durch die hohen Bogenfenster drang Gewitterleuchten von draußen herein, das den Raum in ein gespenstisches Licht tauchte. In der Mitte der Galerie zweigte ein Korridor ab.
Sebastian betrat ihn und ich folgte. Keine Fenster. Keine Lampen. Nur ein Korridor, der immer dunkler wurde, je weiter wir gingen.
Vor der letzten Tür auf der rechten Seite blieben wir stehen. Mein Puls dröhnte mir in den Ohren. Josephine Arnaud hatte die Krankenhausrechnung meiner Mutter übernommen. Die beiden mussten sich gekannt haben. Vielleicht kannte sie sogar meinen Vater. Ich schluckte den Kloß in meinem Hals hinunter und versuchte, mir keine allzu großen Hoffnungen zu machen. Aber ich war so nah dran.
Das Vorzimmer, das wir betraten, war genauso alt und ehrwürdig wie der Rest des Gebäudes. Die Möbel sahen viel zu teuer aus, um sie zu benutzen, und die Gemälde an der Wand waren vermutlich ein paar
Weitere Kostenlose Bücher