Dein Herzensprinz Prinzessin
hinsetzen würden, Lars. Und drehen Sie sich bitte nicht um.«
»Nein!«, kreischte ich und musste gleichzeitig auch lachen. Ich konnte nicht anders. Weil es so lächerlich war. Und weil es etwas war, was ich schon immer mal hatte tun wollen, wovon ich aber - aus Angst, ausgelacht zu werden - nie jemandem erzählt hatte (außer Tina natürlich). »Ich steige nicht in dieses Ding. Das ist die totale Tierquälerei. Die armen Pferde!«
Die Kutscherin sah mich empört an.
»Die Pferde haben es bei mir sehr gut«, sagte sie. »Wahrscheinlich besser, als es Ihre Haustiere bei Ihnen haben, junge Frau.«
Ich bekam sofort ein schlechtes Gewissen, und Michael warf mir einen Blick zu, als müsse ich jetzt erst recht mitfahren, weil ich die arme Kutscherin beleidigt hatte. Ich wollte nicht. Ich wollte wirklich nicht!
Nicht weil es albern und tourimäßig ist und ich Angst gehabt hätte, von jemandem gesehen zu werden (das war mir egal), sondern weil es eine romantische Fahrt mit der Pferdekutsche war! Mit jemandem, der nicht mein Freund war!
Schlimmer noch: mit jemandem, der mein Exfreund war und von dem fernzuhalten ich mir aus gutem Grund geschworen hatte. Aber er sah so süß aus, wie er mir erwartungsvoll die Hand hinstreckte, und seine leuchtenden Augen schienen zu sagen: Jetzt stell dich nicht an, es ist doch bloß eine blöde Kutschfahrt. Was soll schon passieren?
Und er hatte ja recht. Was konnte bei einer Kutschfahrt durch den Central Park schon passieren?
Außerdem sah ich keinen einzigen Paparazzi in der Nähe. Und die rot gepolsterte Bank in der Kutsche schien groß genug, um bequem nebeneinander sitzen zu können, ohne sich
zu berühren. Ich konnte mich ja etwas zur Seite drehen, um seinen Geruch nicht einatmen zu müssen.
Und überhaupt: Wie romantisch konnte eine abgeklärte New Yorkerin wie ich so eine Kutschfahrt schon finden?
JP hat mich in »Der lange Weg zum Thron« zwar als verwirrtes Mäuschen porträtiert, das ständig gerettet werden muss, aber in Wirklichkeit bin ich eine ziemlich selbstständige und unabhängige junge Frau. Bald sogar eine veröffentlichte Schriftstellerin!
Also verdrehte ich die Augen, tat so, als wäre es eigentlich unter meiner Würde, und ließ mir dann lachend von Michael in die Kutsche helfen, wo ich auf der gepolsterten Bank Platz nahm. Lars hockte sich neben die befrackte Kutscherin mit ihrem Zylinder und die Kutsche setzte sich mit einem Ruck in Bewegung …
Und dann stellte sich heraus, dass ich mich verschätzt hatte. Die Bank war gar nicht so groß.
Und ich bin anscheinend gar keine so abgeklärte New Yorkerin.
Wie es genau passiert ist, kann ich nicht mehr rekonstruieren. Ich weiß nur, dass es ziemlich schnell gegangen sein muss. Im einen Moment saßen Michael und ich noch ruhig nebeneinander auf der Bank, und im nächsten lagen wir uns in den Armen und küssten uns. Wie zwei Menschen, die sich nie zuvor geküsst haben.
Oder besser gesagt, wie zwei Menschen, die sich früher einmal sehr viel und ausgiebig geküsst und es sehr genossen haben, sich dann für eine sehr lange Zeit nicht küssen konnten und auf einmal plötzlich doch wieder die Gelegenheit bekommen, sich zu küssen, und sich daran erinnern, wie sehr sie es immer genossen haben.
Und so küssten wir uns. Und zwar ausgiebig. Wie zwei ausgehungerte Kusssüchtige, die ungefähr einundzwanzig Monate in einer Kusswüste verbracht hatten.
Wir küssten uns praktisch von der 72. Street quer durch den ganzen Park bis zur 57. Street - das sind immerhin zwanzig Blocks! Ungefähr.
JA, ES IST WIRKLICH WAHR. WIR HABEN UNS ZWANZIG BLOCKS LANG GEKÜSST. AM HELLLICHTEN TAGE. IN EINER TOURISTENKUTSCHE! Jeder konnte uns sehen. Jeder hätte Fotos machen können!!!
Ich weiß nicht, was über mich gekommen ist. Im einen Moment saß ich da und erfreute mich am Geklapper der Hufe und dem Grün der malerischen Parklandschaft und im nächsten... Ich gebe zu, dass ich schon von Anfang an den Eindruck hatte, dass Michael EXTREM dicht neben mir saß.
Und mir entging natürlich auch nicht, dass er einen Arm um mich legte, damit ich nicht nach vorne fiel, als die Kutsche beim Anfahren einen Satz machte. Aber das war nur ein Impuls, eine nette Geste unter guten alten Freunden.
Nur dass er den Arm anschließend nicht wieder wegnahm. Und dass mir wieder sein Geruch in die Nase stieg.
Und damit war es um mich geschehen. Ich wusste, dass es um mich geschehen war, aber ich drehte mich trotzdem zu ihm hin, um ihm zu sagen - so
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