Dein Herzensprinz Prinzessin
dass ich vorhätte, einen Liebesroman zu veröffentlichen, und falls ja, wie ich der Familie so etwas antun könne und weshalb ich sie nicht einfach erschieße, wenn ich mir ihren Tod so sehr wünsche? Das sei
schneller und schmerzloser. Wieso ich sie langsam und qualvoll umbringen wolle, indem ich sie vor allen ihren Freunden und Bekannten der Lächerlichkeit preisgebe? Wieso ich nicht ein kleines bisschen mehr wie Bella Trevanni Alberto sein könne, die eine mustergültige Enkelin sein. (Ich schwöre, wenn sie das noch einmal sagt, dann...)
Danach erinnerte sie mich noch mal daran, dass ich mich bis zum Wahltag für eine Uni entschieden haben muss, und legte mir (wieder mal) das Sarah Lawrence College, auf das sie selbst so gern gegangen wäre, ans Herz. Wenn ich dort studieren würde, wäre alles gut, bla, blä, blubb …
Ich ließ einen entnervten Schrei los und stürmte an Grandmère vorbei in Dr. G. Stöhrts Behandlungszimmer, ohne abzuwarten, was sie mir sonst noch zu sagen hatte. Ist doch wahr! Diese Frau ist wirklich unerträglich. Außerdem war ich nach der Sache mit Michael im Extremkrisenzustand und hatte wahrlich keine Zeit für Grandmères Dramen.
Dr. G. Stöhrt ließ sich erklären, was gerade passiert war (mit Grandmère, meine ich), und sagte, das würde ja nun sowieso nicht mehr vorkommen, weil ich heute zum letzten Mal bei ihm sei, aber er könne trotzdem gern mit ihr sprechen, wenn ich das wollte. Dann erzählte ich ihm, was gerade mit Michael passiert war. Und er fragte mich, ob ich über die Geschichte von seinem Pferd Sugar nachgedacht hätte, die er mir letzte Woche erzählt hatte.
»Ich will darauf hinaus, Mia«, sagte er, »dass eine Beziehung, die in der Theorie perfekt zu sein scheint, in der Praxis nicht zwangsläufig funktionieren muss. Sugar war zwar theoretisch das perfekte Pferd für mich, aber es hat bei uns einfach nicht ›Klick‹ gemacht.«
SUGAR! Da lege ich vor Dr. G. Stöhrt meine Seele bloß und spreche ganz offen über die Verwirrung meines Herzens (und meine unsägliche Großmutter) und ihm fällt dazu nichts Besseres ein als sein dämliches Pferd.
»Bitte, Dr. Stöhrt«, bat ich. »Können wir vielleicht kurz mal auch über was anderes reden als Pferde?«
»Natürlich, Mia«, sagte er.
»Okay.« Ich holte tief Luft. »Meine Eltern haben mir gesagt, dass ich bis zu den Wahlen in Genovia - und dem Abschlussball - entschieden haben muss, an welcher Uni ich studieren will. Ich kann mich aber einfach nicht entscheiden. Verstehen Sie, ich hab das Gefühl, dass die mich alle nur genommen haben, weil ich Prinzessin bin...«
»Aber du weißt es nicht mit Sicherheit«, gab Dr. G. Stöhrt zu bedenken.
»Nein«, räumte ich ein. »Aber so schlecht, wie ich im Uni-Eignungstest abgeschnitten hab, ist es ziemlich offensichtlich …«
»Wir haben doch schon öfter darüber gesprochen, Mia«, sagte Dr. G. Stöhrt, »dass du lernen solltest, dir nicht ständig den Kopf über Dinge zu zerbrechen, die du sowieso nicht beeinflussen kannst. Was sollst du stattdessen tun?«
Ich sah über seinen Kopf hinweg auf das Gemälde an der Wand, das eine Herde wilder Mustangs zeigte. Wie viele Stunden hatte ich in den vergangenen einundzwanzig Monaten auf dieses Bild gestarrt und mir gewünscht, es würde ihm auf den Kopf fallen? Nicht so, dass es ihm wehtut. Bloß dass er einen Schreck bekommt.
»Ich soll dafür beten, die Gelassenheit zu haben, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann«, antwortete ich. »Und den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann, und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.«
(Der Spruch heißt übrigens »Gelassenheitsgebet« und wird von den Anonymen Alkoholikern bei ihren Versammlungen gesprochen, hilft aber auch bei grübelsüchtigen Sorgoholikerinnen wie mir.) Die Sache ist... ich weiß genau, dass es gut wäre, wenn ich so sein könnte, aber um mir das zu sagen, brauche ich keinen Psychotherapeuten.
Mir wird jetzt mit jedem Tag klarer, dass es gut ist, einen Schlussstrich zu ziehen. Nicht nur was die Schule und den Prinzessunterricht angeht, sondern auch die Therapie. Damit will ich nicht sagen, dass ich jetzt selbstaktualisiert wäre, ganz im Gegenteil... Ich glaube nicht mehr daran, dass so etwas wie eine vollkommene Selbstaktualisierung überhaupt möglich ist. Man kann nicht selbstaktualisiert sein und ein denkender Mensch bleiben, der mit jedem Tag seines Lebens immer wieder etwas Neues dazulernt.
Ich sehe den Tatsachen jetzt ins
Weitere Kostenlose Bücher