Dein ist das Leid (German Edition)
Stämme richtig reich geworden, und jetzt werden die Shinnecocks reich. Aber ihr Platz im Reservat ist naturgemäß begrenzt. Dieses Grundstück hier in idealer Lage zu ihrem Casino gehört mir. Wir ergänzen einander, und wir haben eine Geschäftsbeziehung, von der wir gegenseitig profitieren.“
„Das klingt ganz wie eine Win-win-Situation“, bemerkte Marc. „Und eine wirklich geniale Idee. Kann ich Sie ab jetzt wieder zitieren?“
„Klar“, meinte Morano großmütig.
„Was ist denn mit den örtlichen Fischern hier draußen? Wollen Sie die Anlegestelle und den Bootsservice dichtmachen?“
„Überhaupt nicht. Ich habe nicht vor, die Einheimischen im Stich zu lassen. Die Shinnecock Bay ist doch ideal, um die Restaurants mit dem frischesten Fang zu versorgen. Die Fischerboote werden wie gehabt rausfahren und wieder reinkommen – nur ein bisschen weiter unten.“ Morano zeigte aus dem Fenster, nach rechts. „Da drüben wird ein neuer, größerer Pier für noch mehr Fischerboote gebaut, außerdem werden wir den Fischern ausreichend Kühlräume zur Verfügung stellen. Der jetzige Pier wird umgebaut zu einer exklusiven Anlegestelle für die Hotelgäste.“
„Für die Jachten und die Fähren.“ Marc lächelte. „Ich finde das großartig. Sie verwandeln das alles hier in ein schickes, teures Angebot für Leute aus Manhattan – und bewahren doch die lokale Atmosphäreund Romantik. Sehr clever.“
Das meinte er sogar ernst. John Morano war ein ausgefuchster Geschäftsmann. Indem er seine Dienste für die Fischer aufrechterhielt, sorgte er für ihren guten Willen, und die Touristen bekamen etwas von der ursprünglichen Atmosphäre mit. Außerdem würde der Bootsservice ja auch weiter Geld in die Kasse spülen. Die Fischer hätten wegen Moranos Hotelrestaurants mehr Abnehmer. Alle konnten zufrieden sein.
Weiter zu einem etwas heikleren Thema.
„Und wie sieht es mit der Stadt Southampton aus?“, fragte Marc. „Die Stadtverwaltung ist doch sehr entschlossen, den Touristenstrom einzudämmen. Die Einwohnerschaft möchte, dass alles so bleibt, wie es ist – eher ruhig, außer während der Saison. Ihr Hotel wird das alles verändern. Hatten Sie keine Schwierigkeiten, die entsprechenden Genehmigungen zu bekommen?“
Ein kurzer Moment Schweigen. Nur ein Augenblick. Aber er war Marc nicht entgangen.
Er blickte gerade rechtzeitig von seinen Notizen auf, um zu sehen, wie ein unbehaglicher Ausdruck über Moranos Gesicht huschte.
Der genauso schnell verschwand, wie er gekommen war.
„Das ist schon eine Herausforderung. Aber nichts, womit ich nicht fertigwerde. Die Stadt ist sehr kooperativ. Ich bin gerade dabei, mir alle notwendigen Genehmigungen zu verschaffen.“ Sein Tonfall war so sicher, dass er alle Zweifel oder Befürchtungen beinahe zerstreute.
Beinahe.
„Großartig.“ Marc beobachtete seine Reaktionen aus den Augenwinkeln. „Und Ihre Partner, die verschiedenen Baufirmen und so weiter? Haben Sie die alle beisammen?“
John nippte an dem Kaffee. Aber diesmal veränderte sich nichts an seinem Gesicht. „Aber sicher, bis auf ein paar Kostenvoranschläge, die noch ausstehen. Das sollte sich alles in der nächsten oder übernächsten Woche klären. Zum Glück sagt man uns einen milden Winter voraus. Dann könnte der Bodenaushub gleich beginnen.“
„Sie treiben dieses Projekt also aggressiv voran?“
Morano kräuselte leicht die Lippen. „Ich treibe alles aggressiv voran, Rob. Sonst hätte ich es nie geschafft, diese Gelegenheit der ganzen Horde anderer Immobilienentwickler vor der Nase wegzuschnappen, die sich jetzt alle selbst in den Hintern treten könnten.“
Das war Marcs Stichwort.
Er hob ganz leicht die Brauen. Es sollte nicht bedrohlich wirken. Nur neugierig. „Der ursprüngliche Besitzer, von dem eigentlich die Idee stammt …“ Er blätterte in seinem Notizblock, als müsste er nach dem Namen suchen. „Paul Everett. Haben Sie ihn gekannt?“
Ein lässiges Kopfschütteln. „Bin ihm nie über den Weg gelaufen.“
„Nach meinen Notizen soll er umgebracht worden sein, obwohl man nie eine Leiche gefunden hat – ungefähr einen Monat bevor Sie hier eingestiegen sind. Ich schätze, das klingt wie ein schlechter Spionageroman, aber halten Sie es für möglich, dass seine Ermordung irgendetwas mit diesem Projekt zu tun gehabt haben könnte?“
John ließ seine Zähne blitzen. „Sie klingen tatsächlich wie ein schlechter Spionageroman. Die Wahrheit ist, ich habe nicht die geringste
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