Dein ist das Leid (German Edition)
Ahnung, warum Paul Everett getötet wurde. Wie ich sagte, bin ich ihm nie begegnet. Die meisten Baufirmen, mit denen ich arbeite, sind dieselben, die er auch schon unter Vertrag genommen hatte, aus dem schlichten Grund, dass das nun mal die besten in der ganzen Gegend sind. Die haben alle ganz saubere Unterlagen. Keiner hat je schlecht von Everett gesprochen oder angedeutet, er wäre vielleicht auf irgendeine Weise nicht ganz vertrauenswürdig, falls Sie das meinen.“ Er zuckte die Achseln. „Aber wer weiß schon über das Privatleben eines anderen Menschen Bescheid? Er könnte wegen allem Möglichen umgebracht worden sein. Mir tut leid, was dem Burschen zugestoßen ist, aber wegen meiner Auftragnehmer mache ich mir keine Sorgen. Die sind alle gut versichert, genießen Respekt und haben einen ausgezeichneten Ruf.“ Nun hatte Morano einen fragenden Ausdruck im Gesicht. „Warum fragen Sie?“
Marc hob die Schultern. „Vermutlich bloß die Fantasie eines Schreiberlings. Stand eigentlich gar nicht auf meiner Fragenliste. Dieser fantasievolle Teil von mir fragte sich wohl bloß, ob Sie je befürchtet haben, auf diesem Projekt könnte ein Fluch liegen.“
Das rief ein kollerndes Lachen hervor. „Ein Fluch? Das glaube ich kaum. Dieses Projekt ist eine Goldgrube. Das Casino wird boomen, das Hotel wird das ganze Jahr voll belegt sein, tonnenweise Touristen werden die Annehmlichkeiten genießen, und ich werde ein sehr reicher Mann.“
„Klingt wirklich gut.“ Marc kritzelte ein paar abschließende Notizen. „Ich wünschte, ich hätte so ’ne Idee gehabt. Mein Gehalt wirdnicht mal für eine Nacht in Ihrem Hotel reichen.“
„Na ja, ich sag Ihnen mal was.“ John erhob sich. „Sobald wir aufgemacht haben, spendiere ich Ihnen ein Gratiswochenende hier. Als Gegenleistung können Sie einen Folgeartikel über Ihre Erlebnisse schreiben, die ganz bestimmt unglaublich sein werden.“ Er streckte seine Hand aus.
„Das kann ich kaum erwarten.“ Marc grinste und schüttelte ihm die Hand. „Das Interview hat richtig Spaß gemacht, John.“
„Vielen Dank. Wann wird der Artikel im Magazin erscheinen?“
„Ich nehme an, entweder nächste Woche oder die Woche darauf“, erwiderte Marc. „Haben Sie eine Visitenkarte mit Ihren Kontaktdaten? Ich schicke Ihnen eine Mail, sobald ich es selber weiß.“
„Aber sicher.“ Morano holte eine Karte aus der Tasche. „Bitte schön.“
„Klasse.“ Marc packte seine Utensilien ein. „Dann wünsche ich Ihnen noch einen schönen Tag.“
„Ihnen auch.“
Sobald Marc die Tür hinter sich geschlossen hatte, ließ Morano das Lächeln aus dem Gesicht fallen. Er wartete, bis er den Wagen davonfahren hörte. Dann griff er zu seinem Handy und wählte eine Nummer.
„Wir haben ein Problem“, teilte er der Person am anderen Ende mit. „Könnte sein, dass wir in Schwierigkeiten stecken.“
9. KAPITEL
Casey verbrachte den ganzen Morgen damit, sich über Ryans Schulter zu beugen und alles zu verfolgen, was seine Recherchen im Netz ergaben. Zwischendurch rief sie immer wieder Amanda an, um sich nach dem Zustand des Babys zu erkundigen. Was sie zu hören bekam, klang gar nicht gut. Auch Amanda klang, als stünde sie kurz vor einem Nervenzusammenbruch. Casey ginge es wahrscheinlich nicht anders in dieser Situation.
Die Uhr in ihrem Kopf tickte immer lauter.
Sie brauchten mehr Zeit. Aber die hatten sie nicht.
Die Lippen frustriert zusammengepresst, marschierte Casey zurück zu Ryan, verschränkte die Arme vor der Brust und klopfte mit der Fußspitze auf den Boden.
Das brachte das Fass zum Überlaufen.
„Weißt du, Boss, ich kann nicht besonders gut arbeiten, wenn mir jemand ständig im Nacken sitzt“, verkündete er schlichtweg. Wenn er das jetzt nicht klarstellte, würde sie ihn noch um den Verstand bringen. „Das macht mich nicht nur wahnsinnig, das führt auch dazu, dass ich langsamer werde.“
Casey atmete hörbar aus, trat ein paar Schritte zurück und fummelte an einer seiner Gerätschaften herum. „Tut mir leid. Amanda hat die pure Panik in der Stimme, und ich fühle mich so hilflos. Und Hilflosigkeit kommt normalerweise in meinem Repertoire nicht vor.“
„Geht mir genauso. Aber ich stehe kurz davor, mich in John Moranos Bankkonten zu hacken. Ich will wissen, ob es dort dasselbe Muster gibt wie bei Paul Everett – kolossales Guthaben, kolossale Abhebungen. Ebenfalls zwanzigtausend alle sechs Wochen. Wenn das der Fall ist, können wir sicher sein, dass das entweder
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