Dein ist der Tod
dass ich bei dir vorbeischauen wollte, und sie hat mir einen Besucherausweis gegeben.«
Mia warf einen Blick auf den geclippten VIP -Ausweis an Rics Hemd. Er sah beinahe manierlich aus und wirkte halbwegs ausgeschlafen. Sie dagegen musste den Eindruck erwecken, als hätte sie sich die Nacht um die Ohren geschlagen.
»Du siehst müde aus.«
»Danke sehr.«
»Was ist das denn?« Er nickte in Richtung Tisch.
»Mit dem Kabel wurde jemand erdrosselt. Der Mörder trug Handschuhe, aber â¦Â« Sie biss sich auf die Lippe und drehte das Kabel noch ein Stück weiter. »Hm, ich denk mir das so: Falls das Opfer Widerstand geleistet hat, was wahrscheinlich ist, weil ihr ein Fingernagel abgebrochen ist, dann musste er sie irgendwie festhalten.« Mia beschrieb die Szene mit ihrer freien Hand. »Und das heiÃt, dass er beim Zuziehen der Schlinge vermutlich â¦Â« Sie verstummte, als sie ein Kabelende anhob und so tat, als klemmte sie es sich zwischen die Zähne. Mitten in der Bewegung hielt sie inne. »Ah, da ist es. Wusst ichâs doch!«
»Was?« Er kam näher, sah aber nur ein braunes Elektrokabel. Konnte sie etwa Speichel darauf entdecken?
»Bissspuren. Siehst du?« Sie hielt ihm das Kabel vor die Nase â und nun sah er sie: kleine Abdrücke im Plastik, ein paar Zentimeter auseinander.
»Und daraus kriegst du dein Genmaterial?«
»Ich kannâs jedenfalls versuchen.« Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht. Es war offensichtlich, dass sie mit sich zufrieden war, es sich aber nicht allzu sehr anmerken lassen wollte. »Ich werde gleich damit anfangen. Das heiÃt, wenn du mir gesagt hast, was du wirklich willst.«
Ihr Lächeln verschwand, und er fragte sich, welche Nachrichten sie sich von ihm erhoffte. Dass man ihren Jeep gefunden hatte. Dass man den Angreifer gefunden hatte. In nicht einmal vierundzwanzig Stunden hatte Ric schon jemanden geschnappt. Das alles wollte er ihr sagen.
»Leider nichts Neues in deinem Fall«, sagte er stattdessen. Sie drehte sich um und steckte das Kabel in einen Beweisbeutel aus Papier.
Er griff nach der Arbeitsleuchte und stellte sie so ein, dass sie auf ihr Gesicht schien. Dann legte er eine Hand unter ihr Kinn und hob es leicht an. Auf ihrer rechten Wange war ein leichter blauer Fleck. »Was ist denn das da?«
Sie sah ihm nicht in die Augen. »Da hat er die Pistole hingedrückt.«
Die Pistole hingedrückt . Verdammt, wie konnte er das nur übersehen? Er hatte sie seit dem Ãberfall schon zweimal getroffen, und trotzdem war es ihm nicht aufgefallen.
»Wie gehtâs deinem Arm?«
»Tut weh«, erwiderte sie. »Ich hab mittags ein Ibuprofen genommen.«
Er lieà die Hand sinken und trat einen Schritt zurück. Um sie nicht noch einmal zu berühren, stopfte er beide Hände in die Hosentaschen.
»Also, wenn es nichts Neues gibt, warum bist du dann hier?«
Bildete er sich das nur ein, oder schwang da noch etwas anderes mit? Er war seit vergangenem Sommer nicht mehr bei ihr gewesen. Offenbar hatte sie sich das gemerkt.
»Ich bin hier, um â Zitat â euch etwas Dampf zu machen«, sagte er. »Rachel schickt mich.«
Rachel war die Bezirksstaatsanwältin von Hays County und leitete die Untersuchungen von Rics Mordfall. Eigentlich zwei Fälle. Der erste war von Anfang an seiner gewesen. Den zweiten hatte er übernommen.
»Ich hab das erst heute Morgen erfahren.« Sie zog die Handschuhe aus, nahm die Laborbrille ab und warf beides in einen speziellen Müllbehälter für zur Vernichtung bestimmte Materialien. »Dein Fall ist der nächste auf meiner Liste.«
Sie führte ihn durch eine Glastür, deren Scheibe eine sandgestrahlte Doppelhelix zierte. Das groÃe Genlabor des Delphi Center war zweistöckig und hatte die Fläche eines halben FuÃballfeldes.
»Ich hab das Beweismaterial eben erst bekommen«, bemerkte sie über die Schulter.
Er folgte ihr an mehreren Industrieabzugshauben vorbei zu einem begehbaren Kühlschrank, wo die Beweisbeutel säuberlich in einem Regal lagen. An der gegenüberliegenden Wand war eine ganze Regalreihe voller Beweismittel, die von Vergewaltigungen stammten â Tausende davon, die alle noch zu bearbeiten waren. Sie steckten in Schachteln von der GröÃe einer Videokassette, und um sie alle abzuarbeiten, bedurfte es ganzer Heerscharen von Mias, die damit jahrelang rund
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