Dein ist der Tod
durch das rötliche Haar. Es hatte Vivians Farbe, ehe sie mit dem Bleichen angefangen hatte. »Okay, dann bin ich jetzt die Fängerin.« Mia nahm seine Hand. »Aber solange wir Cleo und Patra besuchen, machen wir wieder Pause. Auf dem Heimweg gehtâs wieder weiter. Okay?«
»Okay.«
Sie gingen zu dem umzäunten Raubkatzengehege mit der für einen so kleinen Zoo stattlichen Anzahl von fünf bengalischen Tigern. Die Tiere lümmelten auf den Felsen und genossen die Wintersonne. Nach den um sie verstreut liegenden Knochen zu schlieÃen, hatten sie gerade ihr tägliches Frühstück verspeist â das Hinterviertel eines Hirsches. Sam entwand sich Mias Griff, rannte zwischen den herumspazierenden Besuchern zum Zaun und kniete sich davor hin.
Mia betrachtete ihn mit den üblichen gemischten Gefühlen. Ihr Neffe liebte Tiere beinahe so sehr, wie sie es liebte, mit ihm in den Zoo zu gehen. Sie waren schon Dutzende Male hier gewesen, aber er bettelte immer wieder aufs Neue um einen Besuch. Dabei war es nicht einmal ein richtig groÃer Zoo â es war vielmehr eine Rettungsstation für meist exotische Tiere, die sich die Leute als Haustiere zugelegt hatten, bevor sie feststellten, dass es doch keine so gute Idee war, Pythons, Affen oder Alligatoren bei sich aufzunehmen. Auch die Voliere war voll von Kakadus und Aras im besten Alter, deren Besitzer schon längst im Altersheim waren.
»Cleo schläft«, verkündete Sam. »Und Patra auch. Wie langweilig.
Sam mochte die meist aktiven Tiger am liebsten. Sie waren bei einer groÃen Drogenrazzia aus einer nahegelegenen Ranch gerettet worden. Laut der Informationstafel am Zaun wollte der frühere Besitzer mit den Tieren vor Freunden angeben und Konkurrenten einschüchtern.
»Dann lass uns die Lamas besuchen«, schlug Mia vor, da es nicht den Anschein hatte, als ob sich die Raubkatzen in nächster Zeit bewegen würden. »Du wolltest sie doch füttern?«
Sie trotteten über den Schotterweg zum Streichelzoo. Sam sah zu ihr empor. »Was, glaubst du, passiert, wenn da ein Mensch reinkommt und kein Hirsch?«
»Du meinst, bei den Tigern?«
»Ja, wenn sie die füttern.«
»Das ist eine gute Frage«, sagte sie. Das sagte sie immer, wenn er sie auf dem falschen Fuà erwischte. Und das schien in letzter Zeit häufiger zu passieren. Sie wartete schon auf den Tag, an dem er zu Besuch kam und gleich zur BegrüÃung fragte: »Hallo, Tante Mia, wo kommen eigentlich Babys her?«
»Glaubst du, sie würden ihn aufessen? Den Menschen?« Er sah zu ihr auf.
»Ich weià nicht. Das kommt wohl drauf an, wie viel Hunger sie haben.«
»Ich glaub, die essen ihn«, meinte er im Brustton der Ãberzeugung. »Tiger essen Fleisch, genau wie Tyrannosaurier. Und Menschen sind auch Fleisch.«
Mia behielt ihn auf dem Weg zum Streichelzoo im Auge. Sie hatte das ungute Gefühl, dass es hier nicht nur um Tiger ging.
Wieder sah er zu ihr hoch. »Stimmt es, dass es da, wo du arbeitest, viele tote Menschen gibt?«
Sie holte tief Luft. Warum stellte er diese Fragen nicht Viv? Ihre Schwester konnte so was viel besser erklären als sie.
»Wer hat dir das denn erzählt?«
»Keiner.« Er zuckte die Achseln. »Ich hab gehört, wie Oma das zu Mama gesagt hat. Oma hat gesagt, wo du arbeitest, stinkt es wahrscheinlich bis zum Himmel hinauf.«
An manchen Tagen stimmte das durchaus. Es kam ganz drauf an, woher der Wind wehte.
Mia räusperte sich. »Also, ich arbeite in einem Forschungslabor.« Sie blieben neben dem Gehege stehen. Auf Sams fragenden Blick hin fuhr Mia fort: »Dort arbeiten alle möglichen Wissenschaftler. Manche befassen sich mit Insekten, andere untersuchen den Erdboden. Wieder andere untersuchen Knochen. Und ein paar von uns beschäftigen sich auch mit der Frage, was mit uns und mit Tieren passiert, wenn wir gestorben sind.«
»Musst du die auch anfassen?«
»Ich nicht, nein. Ich bin keine solche Wissenschaftlerin. Ich untersuche viel kleinere Sachen, manchmal sieht man sie nur mit dem Mikroskop. Erinnerst du dich an das Mikroskop, das ich dir letztes Jahr zum Geburtstag geschenkt habe?«
»Ja, ich hab nur die ganzen Glasplättchen verloren. Schau, Tante Mia, da ist ein Baby! Darf ich es füttern?«
Mia folgte seinem Blick zu einem jungen Lama, das zwischen kleinen Schweinen und Ziegen herumtrabte.
»Du kannst
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