Dein ist der Tod
es versuchen«, sagte sie, froh über den Themenwechsel. Sie hegte Zweifel, dass Vivian es guthieÃ, wenn sie dem Jungen allzu viel über das Delphi Center und speziell über die Body Farm erzählte. Die Anlage war von Anfang an umstritten gewesen, und die Besitzer der angrenzenden Grundstücke waren nicht gerade begeistert von kreisenden Geiern und anderen Aasfressern oder der etwas gruseligen Aufmerksamkeit, die sie erregten.
Mia kramte in ihrer Handtasche nach Kleingeld für den Futterautomaten vor dem Schuppen. Mit einem groÃen Pappbecher voller Futter kehrte sie zum Zaun zurück.
Sie lieà den Blick über die Mütter und Kinder schweifen, dann über die in der Nähe des Eingangs schlendernden Menschen. Eine Falte trat auf ihre Stirn. Ganz genau musterte sie jedes der Kinder, die sich schon unter den Ziegen und Lamas im Gehege befanden.
»Sam?«
Ihr Herz begann heftig zu pochen. Beklommen sah sie auf den Mann mit dem kleinen Mädchen auf den Schultern, auf das weinende Kleinkind, das vor einer Ziege kauerte. Dann drängelte sie sich durch eine Menschentraube und trat in den Schuppen. Strenger Dunggeruch schlug ihr entgegen. Sie lieà ihre Augen sich an die Dunkelheit gewöhnen und hoffte, dass Sams kleine Gestalt auftauchte.
»Sam?«
Als Antwort bekam sie nur das Glucksen von Hühnern und Schafblöken zu hören. Sie stürzte wieder nach drauÃen und sondierte noch einmal das Gehege. Von Sam keine Spur. Ihr Magen zog sich zusammen. Gehetzt wanderte ihr Blick zurück zu den Tigern, aber auch dort war er nicht zu entdecken.
»Sam!«
Panik ergriff Mia, als sie sich langsam um die eigene Achse drehte und die Menschengrüppchen nach einem rötlichen Haarschopf und einer hellgrünen Jacke absuchte. Doch er blieb wie vom Erdboden verschluckt.
»Sammy!« Obwohl der Ruf laut und schrill gewesen war, kam keine Reaktion.
Er war verschwunden.
Jonah stand mit der Schulter gegen den Türrahmen gelehnt, als der stellvertretende Rechtsmediziner von Travis County zum gefühlt fünften Mal seine Brille abnahm und putzte.
»Und worauf genau stützen Sie diese Schlussfolgerung?« Ric sprach die Frage aus, die Jonah auf der Zunge lag.
In dem engen Büro saà Ric auf dem einzigen Gästestuhl George Froehler genau gegenüber. Jonah konnte den Raum nicht einmal betreten, da überall um den Schreibtisch herum kniehoch Medizinzeitschriften und Aktenstapel lagen. Obwohl sie den Mann schon oft besucht hatten, überraschte sie dieser Verhau stets aufs Neue. Wie hielt es ein an sich sorgfältiger Arzt in einem so vollgestopften Büro aus?
»Livores oder Totenflecken.« Froehler setzte die Brille wieder auf. »Sie entstehen, wenn sich die roten Blutkörperchen nach dem Tod am tiefsten Punkt des Körpers sammeln.«
»Ich weiÃ, was Totenflecke sind.« Offensichtlich missfiel es Ric, dass man mit ihm sprach, als käme er frisch von der Polizeiakademie. »Was ich nicht verstehe, ist, wieso das heiÃt, dass sie in einem geschlossenen Raum ermordet wurde. Vielleicht hat sie der Mörder drauÃen in der Nähe der Stelle umgebracht, wo er sie von der Brücke geworfen hat, und sie lag erst nach dem Sturz auf dem Gesicht.«
»Wegen der Totenflecken.« Froehler faltete die Hände auf dem Tisch. »Der Sturz erklärt die gebrochenen Rippen und wahrscheinlich auch die zerschmetterte Kniescheibe, die man auf dem Röntgenbild sieht. Doch obwohl sie in der Nähe der Brücke auf dem Bauch liegend gefunden wurde, meine ich, dass sie auf dem Rücken getötet wurde und wenigstens ein paar Stunden so dalag. Die Teppichfasern im Haar und die Abschürfungen an der Schulter und den Pobacken sagen mir, dass der primäre Ort des Verbrechens ein geschlossener Raum war.«
»Welche Farbe haben die Teppichfasern?«
»Leider beige.«
Die am weitesten verbreitete.
»Sehen Sie Ãhnlichkeiten zwischen den Verletzungen bei diesem Opfer und dem von vor drei Wochen? Der Frau aus dem Motelzimmer?«
»Abgesehen davon, dass beiden die Hände mit Klebeband gefesselt wurden und sie vergewaltigt wurden? Nein. Bei dem Mord im Hotel war die Todesursache Erwürgen, und der Täter hat Sperma hinterlassen. Was die später ermordete Ashley Meyer betrifft, so starb sie durch einen Schlag auf den Kopf. Nachdem man ihr mit einem Messer zweiundvierzig meist leichtere Verletzungen zugefügt
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