Dein ist der Tod
mit gerunzelter Stirn auf ihr Handy.
»Alles okay?«, erkundigte er sich.
»Kennst du Vince Moore?«
»Ja.«
»Er hat heute Abend schon zweimal angerufen. Vielleicht gibtâs was Neues in dem Fall.«
»Bestimmt nicht.«
»Woher willst du das wissen?«
»Ich leite die Ermittlungen. Er ruft an, um sich mit dir zu treffen.«
Mit skeptischem Blick steckte sie das Telefon zurück in die Handtasche.
Ric nahm einen Schluck Bier. Er wollte lieber das Thema wechseln. »Wie gehtâs Sam?«
»Vivian hat ihn heute Nachmittag abgeholt«, sagte sie ausweichend. Ric vermutete, dass es dem Jungen gut ging. Bei Mia war er sich da nicht so sicher.
»Irgendwas Neues über diesen Kerl im Zoo?«, fragte sie.
»Nein.«
Sie biss sich auf die Lippe und sah zur Seite. Ric stellte das Bier auf den Tisch und wartete. Ein leichter Windhauch wehte einen süÃen weiblichen Duft zu ihm hinüber, der sich mit dem Rauch vom Nachbartisch mischte. Er hatte ihn schon vor Monaten bemerkt, obwohl ihm bis zu diesem Zeitpunkt nicht bewusst war, dass sie Parfüm trug.
»Ich möchte dich was fragen«, begann sie, »auch wenn es vielleicht komisch klingt.«
»Okay.«
»Träumst du manchmal von deinen Fällen?«
Er überlegte kurz, ehe er antwortete. »Das kommt schon mal vor, glaube ich. Warum?« Kam jetzt etwa ein Gespräch über psychische Ermittlungen? Er hatte sie nie für esoterisch angehaucht gehalten, aber vielleicht hatte er sich getäuscht? Kaum vorstellbar, immerhin war Mia Wissenschaftlerin.
»Dieser Fall, den du mir gegeben hast â¦Â«
»Am Freitag, oder?«
»Ja, der Mord an Ashley Meyer. Ich war heute im Labor und hab mir die Sachen noch mal angesehen.«
Ric überraschte es nicht, dass sie an einem Sonntag zur Arbeit ging. Sie hatte ähnliche Dienstzeiten wie er â immer auf Abruf. Er wartete, dass sie zum Punkt kam, doch sie zupfte nur das Etikett in kleinen Stückchen von ihrer Flasche und legte die Schnipsel in einem kleinen Häufchen vor sich auf den Tisch. Ihr hatte etwas auf der Zunge gelegen, doch ehe sie die Worte ausgesprochen hatte, hatte sie sich gebremst.
»Was denkst du, Mia?«
Sie sah ihm in die Augen. »Hab ich dir mal erzählt, wie ich in Fort Worth angefangen habe? Gleich nach der Uni war ich ein Jahr lang dort im kriminaltechnischen Labor angestellt.«
»Ich glaub, du hast es mal erwähnt.« Und wenn nicht, so wusste er es dennoch. Als sie vergangenen Sommer zusammengearbeitet hatten, hatte er sich ihren Lebenslauf ange sehen. Nach Fort Worth hatte sie erst an das texanische Staatslabor gewechselt, dann zum Delphi Center.
»Vor sechs Jahren gabâs einen Fall«, fuhr sie fort. »Es war einer der Ersten, an dem ich allein dran war. Ein Sexualmord. Das Opfer, Laura Thorne, war erst neunzehn. Sie verschwand eines Abends von einer Party und wurde ein paar Tage später in einem nahen Wäldchen gefunden. Das Klebeband, mit dem sie gefesselt wurde, kam zu uns. Die Kleidung auch. Ich hab alles genau untersucht, konnte aber keine Täterspuren entdecken. Nur welche vom Opfer.«
»Stichwunden?«
»Dreiundfünfzig Stiche. Das ganze Kleid war durchlö chert.«
»Ein Messerstecher im Blutrausch?«
»Vermutlich.« Mia schüttelte den Kopf. »Auf alle Fälle ging mir das an die Nieren. Ich denke heut noch oft daran. Manchmal träume ich sogar von dem Mädchen, und im Traum trägt es dieses blutbesudelte Kleid.« Mia schauderte. Wohl nicht vor Kälte, vermutete Ric.
»Manche Fälle gehen einem nahe.« Mehr wollte er lieber nicht dazu sagen. Aber auch er wachte in der Nacht manchmal schweiÃgebadet auf und hatte den Tatort eines Verbrechens vor Augen. Nur war dabei meist etwas verdreht, etwa dass das Opfer dabei nicht das eigentliche Opfer war, sondern Ava. Oder seine Mutter oder sogar seine Exfrau. Das Schlimmste war jedoch nicht der Tatort selbst, sondern dass er wenige Minuten zu spät dort ankam.
»Ich glaube, es gibt einen Zusammenhang zwischen beiden Fällen.«
Ric zog beide Brauen hoch.
»Ich weiÃ, was du jetzt denkst«, fügte sie schnell hinzu. »Viele Menschen werden erstochen, und zum Fesseln wird auch oft Tape verwendet. Das ist mir bekannt. Aber ich glaube, es ist eine Ãberlegung wert.«
Ric nahm sich Zeit für die Antwort. Sorgsam wägte er seine Worte ab. Mia war die beste
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