Dein ist der Tod
du eigentlich gekommen? Doch nicht wegen der frischen Luft?«
»Dr. Heinz schickt mich«, erwiderte Mia. »Er untersucht etwas Klebeband für mich, das bei einem Mord verwen det wurde. Er sagt, du hast ihm vor einiger Zeit was Ãhnliches gegeben, das in der Nähe des Lake Buchanan entdeckt wurde.«
»Hm, das ist fast zwei Jahre her. Aber ich erinner mich noch daran. Der leitende Ermittler hieà Sandinsky.«
Sie kamen an einem Picknicktisch vorbei, der etwas verloren unter einem kahlen Pekannussbaum stand. Bei diesem Wetter lieà sich kaum jemand zu einem Mittagessen im Freien verführen.
»Ja, am Lake Buchanan«, wiederholte Kelsey. »Da wurde sie von Kindern in Ufernähe gefunden. Ich glaube, im Frühling.«
»Im März.« Sie stiegen die Stufen zum Institut hinauf, und Mia zückte ihren Ausweis. »Dr. Heinz meinte, dass ihre Identität nie festgestellt wurde.«
»Stimmt.« Kelsey trat ein, und während sie sich die Stiefel abtrat, nahm sie einen lila Chenille-Seidenschal ab. »Sie war schon vollständig skelettiert, und die Knochen lagen über einen Quadratkilometer verteilt in der Gegend herum.«
»Warst du bei der Bergung dabei?«
»Ja.« Sie gingen einen sanft abfallenden Gang zur Abteilung für Knochen. Kelsey hielt ihre Handfläche an einen Wandsensor. Die Schiebetüren öffneten sich, und die zwei Frauen betraten einen Gebäudeteil, in dem die Temperatur konstant auf etwa sechzehn Grad Celsius gehalten wurde.
»Wir haben fast das ganze Skelett gefunden«, fuhr Kelsey fort. »Nur zwei Zehenglieder haben gefehlt, wenn ich mich recht erinnere.«
Kelseys Gedächtnis war phänomenal. Auch Mia hatte ein gutes Erinnerungsvermögen, aber sie machte sich stets Notizen. Kelsey dagegen behielt alles im Kopf. Einfach so.
Im Osteologie-Bereich deponierte Kelsey ihr Schraubglas an einem separaten Arbeitsplatz. »Sie müsste noch da sein. Willst du sie mal ansehen?«
»Klar.«
Kelsey führte sie an der Röntgenkammer vorbei in einen groÃzügigen Anatomiesaal, an dessen Enden je ein Stahltisch stand. Vor dem Lagerbereich legte Kelsey erneut die Hand auf ein Wandpaneel. Die Tür ging auf.
»In den meisten Leichenhäusern ist der Raum ziemlich knapp bemessen«, erläuterte sie, »aber wir haben Glück. Unser Lager wurde nach dem Vorbild der Smithsonian Institution gestaltet, und so haben wir Unmengen an Stauraum.«
Sie traten in einen schmalen länglichen Raum, an dessen Wänden sich mit Nummern versehene Schubladen befanden. Diese Schubladenregale reichten bis weit über Mias Kopf.
»Brauchst du das Aktenzeichen?«, fragte Mia, doch Kelsey steuerte bereits auf das hintere Ende des Raumes zu. Vor einer Schubladenfront blieb sie stehen, warf einen kurzen Blick auf das Etikett einer Schublade in Hüfthöhe und zog sie heraus.
»Wir haben noch aus einem anderen Grund Glück. Bei uns gibtâs so viele Möglichkeiten, um die Knochen in Plastikwannen oder Pappschachteln zu lagern, dass wir alle in der richtigen Ordnung aufbewahren können.«
Mia blickte auf die Knochen einer Frau, die mit Klebeband gefesselt und ermordet worden war, ehe man sie in die Wildnis geschafft hatte, um sie verwesen zu lassen.
Kelsey seufzte. »Eigentlich weià ich das alles noch sehr genau.« Sie ging zu einem Rollwagen, entnahm einer Schachtel ein Paar Gummihandschuhe und reichte es Mia.
Mia besah sich den Schädel, während sie die Handschuhe überstreifte. »Sind die Beine gebrochen?«
»Ursprünglich nicht. Ich hab das später gemacht, um von einer Knochenscheibe aus dem Femurschaft eine Genanalyse machen zu lassen. Einer deiner Kollegen hat sie durchgeführt. Wir haben sie in die Datenbank eingegeben, aber soweit ich weiÃ, gabâs keine Ãbereinstimmungen.«
»Und es ist sicher eine Frau?«
Kelsey deutete auf das Becken. »Bei Frauen ist die Beckenöffnung groà und rund, genau wie hier. Bei Männern ist sie klein. Anscheinend hatte sie aber noch kein Kind geboren. Schätzungsweise war sie Mitte bis Ende zwanzig. Das schlieÃe ich aus den teilweise geschlossenen Epiphysen fugen, also den Wachstumsfugen am Ende von Röhrenknochen.«
Noch so jung . Beim Betrachten der Knochen überkam Mia ein ungeheures Gefühl von Einsamkeit. Das genetische Profil der jungen Frau war nicht im Verzeichnis vermisster Personen
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