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Dein ist der Tod

Dein ist der Tod

Titel: Dein ist der Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Griffin
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befohlen rechts abbog. Eine innere Stimme riet ihr, woandershin zu fahren, und sie beschlich das unheimliche Gefühl, dass sie geradewegs ins Verderben fuhr. Doch sie wagte nicht, sich den Anweisungen zu widersetzen. Sam hatte nur eine Chance – sie.
    Während sie mit unveränderter Geschwindigkeit weiterfuhr, ballten sich im Westen über dem Horizont tiefhängende schwere Wolken zusammen. Schließlich tauchte ein wettergegerbtes Holzschild vor ihr auf: PARSONS TIERFUTTER . Sie trat auf die Bremse und sah sich verzweifelt um. Die ganze Anlage schien verlassen. Kein Mensch war zu sehen. Niemand. Sie warf einen Blick auf das Telefon in ihrem Schoß.
    Â»Okay, ich bin da. Ich fahre seitlich ran.« Sie kam vor einem rostigen Tor zum Stehen. »Und jetzt? Da ist ein Tor.«
    Â»Aufmachen.«
    Mia stieg aus dem Wagen und trat sofort in eine schlammige Pfütze. Sie stemmte das Tor auf und schob es so weit zurück, bis es im rechten Winkel zum Zaun stand. Sie sah sich nach etwas um, um es offen zu halten – ein Stein, ein Stück Holz, irgendwas. Was wäre, wenn sie sich mit Sam schnell aus dem Staub machen müsste? Sie wollte nicht in der Falle sitzen, wenn das Tor zufiel. Sie zog ihre Schuhe aus und schob einen zwischen die Unterkante des Tors und den schlammigen Boden. Auf Strümpfen ging sie zu ihrem Auto zurück.
    Als auf der Straße ein roter Pick-up an ihr vorbeipreschte, überkam sie erneut Panik. Sie stand an einer wenig befahrenen Landstraße, strumpfsockig und ohne Mantel, aber im Businessoutfit vor einem Kleinwagen – auf Vorbeifahrende musste das höchst seltsam wirken. Sie sah aus wie jemand in Schwierigkeiten, und zum ersten Mal in ihrem Leben wünschte sie sich, dass die Texaner nicht den Ruf rücksichtsvoller Autofahrer hätten. Der letzte Mann, der angehalten hatte, um ihr zu helfen, hatte dafür mit seinem Leben bezahlt.
    Mia wurde vor Angst fast schwindlig. War das derselbe Mann? Sie verstand nicht, was er beabsichtigte, aber sie wusste, dass der Mensch, der dahintersteckte, eiskalt und zu allem entschlossen war.
    Mia schlüpfte mit dem kleinen Wagen rasch durch die Toreinfahrt und rumpelte über den Schotterweg auf eine verfallene Fabrik zu; das musste ihr Ziel sein. Das Gebäude aus grauem Wellblech schien sich leicht nach einer Seite zu neigen. Im ersten Stock starrten sie zwei hohe glaslose Fenster an.
    Wo war der Anrufer? Wo war Sam? Oder war nur sie hier, und Sam befand sich an einem anderen, meilenweit entfernten Ort? Da sie nicht wusste, was sie hoffen sollte, hoffte sie auf ein Wunder, während sie ihr Auto auf das zusteuerte, was wie der Eingang aussah.
    Â»Fahren Sie auf die Rückseite.«
    Sie blickte panisch um sich, als sie das Telefon auf ihrem Schoß ergriff. Er sah sie.
    Â»Wo sind Sie?«
    Â»Das spielt keine Rolle. Fahren Sie auf die Rückseite, und holen Sie das Päckchen raus. Das ganze Material.«
    Mia fuhr mit dem Auto um das Gebäude. Dort befanden sich eine rostige Mülltonne und eine Laderampe mit einer Metalltür. Neben der Mülltonne stand ein brauner Metallwürfel, von dem eine dünne Rauchfahne aufstieg und sich kräuselnd im Himmel verlor.
    Sie begriff.
    Mit angehaltenem Atem ließ sie den Wagen ausrollen. Das Herz schlug ihr bis zum Hals. Sie betrachtete die Rauchfahne und biss sich auf die Lippe. Sie konnte das nicht tun.
    Sie legte den Beutel mit den Beweismaterialien in ihren Schoß und sah ihn an. Wie viele dieser Beutel hatte sie im Laufe ihrer Arbeit geöffnet? Wie oft hatte sie Berichte und Quittungen für Beweismaterial unterschrieben? Wie oft hatte sie die Hand erhoben und geschworen, die Wahrheit zu sagen und dann eine Aussage gemacht, die einen Menschen lebenslänglich hinter Gitter bringen konnte? Was sie nun vorhatte, konnte einen Schatten auf jeden Fall werfen, in den sie je involviert war.
    Â»Sam wartet.«
    Die Stimme erschütterte sie bis ins Mark. Mit zitternder Hand legte sie das Handy in den Getränkehalter. Plötzlich wurde sie ganz ruhig. Sam war erst sechs. Er war der Sohn ihrer Schwester. Sie dachte an Amy, und einen Augenblick lang raubte ihr der Schmerz den Atem.
    Dann stieg sie aus dem Wagen. Bei jedem Schritt über den Platz zum Verbrennungsofen spürte sie den Kiesboden kalt und hart unter ihren unbeschuhten Füßen. Die rostige Metalltür stand einen Spalt weit offen und gab den Blick auf einen Streifen orangefarbene

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