Dein ist die Rache. McAvoys zweiter Fall: Ein Yorkshire-Krimi (Ein Aector-McAvoy-Krimi) (German Edition)
sagen kann.
»Er ist tot, nicht wahr? Shaun. Ich wette, der verdammte Idiot ist einfach durch die Vordertür da reinspaziert.«
»Sie haben ihn gefoltert, Chefin«, sagt McAvoy leise. »Müssen ihn eine ganze Weile bearbeitet haben. Leanne kann ich nirgends sehen. Scheiße, was für ein Schlamassel …«
Ein Geräusch lässt ihn herumfahren.
Shaun muss etwa um fünf nach Hause gekommen sein. Jetzt ist es kurz nach sieben. Es hat eine Weile gedauert, das anzurichten. Wäre es möglich …?
Diesmal ist das Geräusch unverkennbar. Holz knallt gegen Backstein, schnelle Schritte klappern über Kopfsteinpflaster.
McAvoy springt ans Fenster. Späht nach rechts und links, versucht hektisch, die Quelle der Geräusche auszumachen.
Ein kurzer Blick auf drei Gestalten. Ein Aufleuchten von schwarzem Leder und borstiger bleicher Haut. Breite Rücken und hochgeschlagene Krägen. Ein Funke von Kastanienbraun. Im Durcheinander die Ahnung einer kleineren, zarteren Gestalt, schneller als die anderen, ein verwaschener Fleck aus Farbe, ein weißes Aufblitzen.
Dann sind sie weg.
McAvoy bleibt allein in der Wohnung einer verschwundenen Informantin zurück.
Sinkt auf die Knie, auf gleicher Höhe mit dem zerstörten Körper eines Mannes, der zu Tode gefoltert wurde, weil er zugelassen hat, dass seine Frau mit der Polizei plaudert.
»Niemand hier«, sagt McAvoy ins Telefon, und bei den Worten scheint seine Zunge anzuschwellen – Galle steigt ihm in die Kehle.
Er reißt sich zusammen. Schluckt die Lügen hinunter.
»Chefin, es tut mir so leid …«
Kapitel 9
Wieder zu Hause. Müde und schuldbeladen, voll Schmerz und Übelkeit.
Es ist nicht dein Fehler. Sie haben sich mit üblen Leuten eingelassen. Es ist geschehen. Leanne ist vielleicht entkommen …
In den letzten Stunden hat er eine Menge tröstender Worte gehört, doch keines davon hat ihn aufmuntern oder den Gestank von Shauns verbrannter Haut aus seiner Nase vertreiben können.
Pharaoh hat die Initiative ergriffen. Eine Mordermittlung ist im Gang, aber die Lamettaträger müssen noch entscheiden, ob sie in Pharaohs bereits laufende Untersuchung eingebunden oder einem separaten Team übergeben wird. McAvoy glaubt, jeder Versuch, Pharaoh die Sache aus der Hand zu nehmen, wäre Wahnsinn, doch er weiß auch, dass seine Meinung nicht zählt. Er ist bloß der Cop, der die Leiche gefunden hat. Der Cop, der den ganzen Tag damit zugebracht hat, eine Aussage zu machen und seine Klamotten von Beamten der Spurensicherung eintüten zu lassen, weil er den Tatort ohne den vorschriftsmäßigen weißen Overall betreten und damit verunreinigt hat.
Er schüttelt den Kopf, hasst das alles. Wünscht sich, er hätte ein bisschen besser hingehört. Wäre schneller gerannt. Hätte wenigstens einen der Täter erwischt. Sie besitzen keine Spur. Seine Beschreibung ist noch vager ausgefallen als die der vietnamesischen Cannabispflanzer, die vor Monaten die gleichen Verletzungen erlitten. Die Untersuchung der Nägel, die in Shauns Knie getrieben wurden, deutet darauf hin, dass sie aus derselben Waffe stammen, und nach dem ersten Eindruck des Arztes wurde Shaun eine ganze Stunde lang schrecklich gefoltert, bevor sein Herz versagte.
McAvoy war noch nie so dankbar gewesen, das Revier verlassen zu können. Hat sich noch nie so sehr danach gesehnt, Roisin in den Armen zu halten.
Sie ist jetzt oben. Wechselt Lilahs Windeln. Ist froh, dass ihr Mann einmal früher zu Hause ist. Sie hofft, seine Anwesenheit wird ihr ein paar Stunden ungestörten Schlaf ermöglichen.
Eigentlich sollte auch McAvoy diese Zeit genießen. Sollte im oberen Stock sein und alle zum Lachen bringen. Oder in seine Stiefel schlüpfen und Fin von der Schule abholen. Sollte sich am Ausdruck im Gesicht seines Sohnes erfreuen, seinem Entzücken und dem Stolz darüber, den größten Dad auf dem ganzen Spielplatz zu haben.
Da er keine weiteren Befehle hat und auch keine Ahnung, wo er nach Leanne suchen sollte, hat McAvoy beschlossen, noch einen Blick auf den Inhalt des Mobiltelefons zu werfen, das er aus dem Schlamm des Flusses gefischt hat. Er hofft, damit seine Neugier zu befriedigen und das verdammte Ding endlich wegwerfen zu können. Damit er sich wieder konzentrieren kann. An die Arbeit gehen. Etwas wiedergutmachen.
Er schließt das Telefon an seinen Laptop an. Spielt damit herum.
Er öffnet den Ordner für Kontakte und scrollt durch die Punkte und Zahlen, Kringel und komprimierten Zeichen. Er kneift die Augen zusammen und
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