Dein ist die Rache. McAvoys zweiter Fall: Ein Yorkshire-Krimi (Ein Aector-McAvoy-Krimi) (German Edition)
besitzen wollen, und sie muss sich gegen all die Qualen verschließen, die unkontrolliert überzuquellen drohen.
»Suzie?«
»Tut mir leid«, sagt sie mit geschlossenen Augen. »Ich bin nicht bereit für eine Beziehung.«
In Anthonys Gesicht blitzt Verwirrung auf. »Ich glaube nicht, dass ich eine angeboten hatte«, sagt er. Begreift dann, wie grob das klingt, und fügt hinzu: »Ich habe dich auf einen Drink eingeladen.«
Suzie bekommt die Worte nicht richtig mit. Das Blut rauscht ihr im Kopf, und ihr ist schwindelig. Und plötzlich auch übel. Ihr ganzes Selbstwertgefühl hat sich in ein Fingerfarbenbild verwandelt; lauter verwischte Schmierer aus Widersprüchen und Unsicherheit.
Anthony ist ein netter Mann. Sie hat seine Gesellschaft genossen. Er ist humorvoll und charmant, und es scheint ihm etwas an ihr zu liegen. Und sie weiß, dass er es viel besser treffen kann als mit ihr. Sie weiß, dass sie nicht die Richtige für ihn ist. Nicht dafür geschaffen, das Herz zu befriedigen.
»Nimm dir, was du willst«, sagt sie müde, kehrt ihm den Rücken zu, hebt den Rocksaum an und lässt sich auf ein Knie fallen.
Mit dem Gesicht an der Ziegelwand liegt sie da, und die Tränen laufen ihr übers Gesicht.
Anthony sieht auf sie herunter, entblößte nackte Beine und Schenkel, Schmutz- und Ziegelstaubstreifen auf heller Haut; das untere Ende eines Tattoos.
Für den Bruchteil einer Sekunde packt ihn die Begierde. Der Anblick ihrer jungen Nacktheit erregt ihn. Dann ist das Gefühl verschwunden, an seine Stelle tritt Mitleid. Mehr als das. Zärtlichkeit. Zuneigung.
Er setzt sich zu ihr und streicht ihr über die Haare, bis das Taxi kommt. Als er dem Fahrer sagt, sie zu sich nach Hause und nicht zu ihm zu bringen, ist nur eine Spur von Bedauern zu hören.
Er hofft, noch bessere Zeiten mit diesem merkwürdigen, verrückten, hübschen Mädchen zu verbringen, das mit Bäumen spricht und tote Freunde beweint und mit Tränen in den Augen Pfauen auf Bierdeckel malt.
In ihrem alkoholisierten Schlaf weiß Suzie, dass es dazu nicht kommen wird.
23 : 18 Uhr. Im Wohnviertel Kingswood. Die Küche eines Papphauses zum Ausschneiden, das nach drei Tagen Regen weiß wie ein Hochzeitskuchen gewaschen ist.
Aector und Roisin McAvoy, zum ersten Mal im Leben enttäuscht voneinander, zornig.
Selbst im Streit flüstern sie noch. Ihre Auseinandersetzung wird nicht so laut, dass das Baby aufwachen könnte. Ihr Temperament gewinnt nicht die Oberhand über praktische Erwägungen.
»Ich bin Polizist! Das ist Diebstahl. Es ist Einbruch. Du hast ein Mitglied der Verwaltung …«
»Du hast selbst gesagt, er ist ein Verdächtiger! Du hast gesagt …«
»Aber ich erzähle dir solche Dinge nicht, damit du hingehst und so etwas anstellst! Ich erzähle es dir, weil ich sonst mit niemandem darüber reden …«
»Ich wollte dir helfen. Ich war so hässlich zu dir, und du arbeitest so viel, und ich dachte, wenn du jemanden verhaftest, kannst du vielleicht wieder nach Hause …«
»Aber ich bin Polizist!«
Roisins Gesicht ist rot angelaufen. McAvoy kann nicht genau sagen, ob sie wegen seines jämmerlichen Moralisierens wütend auf ihn ist oder weil er nicht einfach danke schön sagt und ihr einen Kuss gibt.
Er versucht, seine Panik unter Kontrolle zu bringen. Hat das Gefühl, jeden Moment könnte einer aus der Abteilung für interne Ermittlungen die Hintertür auftreten. Überlegt, ob er etwas anderes als ein Polizist sein könnte. Fragt sich, ob man ihn im Gefängnis in einen eigenen Flügel stecken wird, um ihn vor den anderen Insassen zu schützen …
»Ich werde es zurückbringen lassen«, sagt sie traurig, und McAvoy begreift, dass sie nur deshalb so verstimmt ist, weil sie ihm ein nettes Geschenk machen wollte und er es nicht zu schätzen weiß.
Selbst jetzt, wo ihm das Herz bis zum Hals schlägt und ihm die Hände zittern, ist sein Zorn auf sie nicht von Dauer. Er geht zu ihr. Zieht sie fest an sich. Spürt erst Widerstand, dann gibt sie nach. Sie blickt zu ihm hoch.
»Ich rufe meinen Freund an«, sagt sie. »Er wird es zurücklegen.«
McAvoy nickt. Versucht, sich zu beruhigen. Er will wissen, wer es genommen hat. Will Namen und Adresse des Kriminellen haben, den zu beauftragen seine Frau anscheinend keinerlei Bedenken hatte.
»Ich versteh es nicht«, sagt er leise. »Ich frage dich nie, Ro. Frage dich nie, was du getan hast, um Geld zu verdienen, oder die Leute, die du kennst. Ich wollte es nie wissen. Aber ich hätte keine
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