Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Dein ist die Rache

Dein ist die Rache

Titel: Dein ist die Rache Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Mark
Vom Netzwerk:
in ihren eklektischen Aufmachungen anerkennend zunickte. Er könnte ein Buch darüber schreiben, was er alles gesehen hat. Diese Leute. Diese Perversen. Der hünenhafte, haarige Asiate mit dem Hundehalsband und dem hautengen Trikot. Der große Kerl mit der Goldmaske, der beim Orgasmus Laute wie eine kalbende Kuh von sich gibt. Die Frau in den Siebzigern, der sie aus der Liebesschaukel helfen mussten, weil sie sich die Hüfte ausgerenkt hatte. Die fette Schnecke im Piratenkostüm, die »Vergewaltigung« schrie, als einer der vier Männer, die sie gerade fickten, ihn ihr in den Arsch stecken wollte …
    Er hackt auf die Tastatur ein, ohne zu wissen, was er tun soll. Was wären die möglichen Konsequenzen des Nichtstuns? Und angenommen, er stellt einen Einbrecher? Wenn der die Videos aus seinen Privatdateien kennt? Er kann es sich nicht erlauben, erpresst zu werden. Müsste seinen Fehler gegenüber den Bossen eingestehen und sich einen anderen Job suchen. Er bezweifelt, dass man Anzeige erstatten würde. Aber wer sollte ihn aufs Korn nehmen wollen? Er schüttelt den Kopf und kippt seinen Wodka hinunter. Vielleicht sucht jemand nach Informationen. Vielleicht will ein Mitglied mehr über ein anderes herausfinden, auf das er scharf ist oder wegen dem er angepisst ist.
    Vielleicht will jemand seine eigenen Dateien löschen. Die Mitglieder sind ausgesprochen zurückhaltend, was ihre wahren Namen und Adressen anbelangt, deshalb bezweifelt er, ein Mitglied könnte auf die Idee verfallen, auf die Art an den Namen oder die Telefonnummer eines anderen zu kommen.
    Der Gedankengang entgleitet ihm, als oben ein unüberhörbares Knarren ertönt.
    Er schließt die Augen, holt tief Luft, dann setzt er die fast leere Flasche Holsten an und trinkt sie aus; ein kleines Rinnsal Bier läuft über die verwaschene blaue Tätowiertinte an seinem Unterarm.
    Er zieht die Tür zur Treppe auf und späht in die Düsternis. Die mit geripptem Teppich belegten Stufen verschwinden auf halbem Weg nach oben in der Dunkelheit, und der Gedanke hinaufzusteigen hat überhaupt nichts Einladendes an sich. Harry verharrt unentschlossen.
    Dann ein erneutes Knarren.
    »Mist.«
    Er setzt den Fuß auf die unterste Stufe. Legt eine Hand ans Geländer und zieht sich hoch, versucht, immer nur am äußeren Rand aufzutreten, um kein Geräusch zu machen.
    Als er die oberste Stufe erreicht, läuft ihm der letzte Tropfen Bier übers Handgelenk. Die plötzliche Kälte lässt ihn zusammenzucken, er stößt eine leise Verwünschung aus.
    Harry weiß, dass er sich verraten hat. Wer immer da im Dunkeln lauert, soll verdammte Scheiße noch mal bleiben, wo er ist.
    Er kehrt um. Schleicht sich die Treppe wieder hinab.
    Dann ist das Geräusch unverwechselbar. Fußgetrappel. Schnelle Bewegungen. Immer näher. Harry wendet den Kopf.
    Rums.
    Er öffnet den Mund, um einen Strom von Flüchen abzulassen, stellt aber fest, dass er keine Worte herausbekommt. Seine Zunge ist zwischen den Backenzähnen zu Brei zerquetscht worden; ein Reflex auf den Hammerschlag, der ihn knapp oberhalb der linken Schläfe getroffen hat.
    Bewegungen. Ein markerschütternder Aufprall. Dumpfe Schläge und krachende Geräusche.
    Harry weiß nicht mehr, wo oben und unten ist. Spürt, wie seine alten Glieder in unnatürliche Stellungen gerissen werden, während sie gegen die Steinwand und auf die Treppenstufen knallen.
    Dunkelheit.
    Dann rote Wolken.
    Ein schleifendes Gefühl an seinem Rücken und Druck auf seine Handgelenke. Einen Moment lang sieht er die stoffbespannte Decke aus einem Winkel, aus dem er sie nie zuvor kennengelernt hat. Dann presst sich der staubige, billige Teppich in sein Gesicht.
    Wie konnte das passieren? Warum liege ich am Fuß der Treppe?
    Er zwinkert mit den Augen. Es ist eine qualvolle Anstrengung. Sie scheint andere Sinne zu wecken.
    Ein furchtbarer Schmerz packt ihn. Verdreht ihn mit unbarmherziger Faust.
    Er blickt auf. Sieht ein Gesicht. Halbwegs bekannt, attraktiv und kalt.
    Eine Stimme. Leise, an seinem Ohr.
    »Ihr echter Name. Er steht nicht hier. Nur ›Blossoms‹. Das wusste ich bereits.«
    Die Stimme klingt, als wäre sie unter Wasser. Harry hört ein Echo. Fühlt Nässe auf seiner Haut.
    »Ich hatte nicht ernsthaft erwartet, den Namen hier zu finden. Ich wusste, Sie würden ihn nicht überprüfen. Nur ein Name und eine Nummer. Und die Nummer ist nicht echt.«
    Harry möchte etwas sagen. Möchte um Hilfe bitten. Um einen Krankenwagen.
    Er bringt nur ein Krächzen

Weitere Kostenlose Bücher