Dein ist mein ganzes Herz
angekündigt."
Nachdem sie gegessen und Tee getrunken hatten, läutete Lady Merion. Witchett erschien, eine hagere Frau mit spärlichen, grauen Haaren, deren Talent darin bestand, die äußere Erscheinung ihrer ältlichen Herrin dem vorherrschenden modischen Stil anzupassen. Mit einem schnellen Blick überzeugte sie sich, daß der Butler Mellow nicht übertrieben hatte. Die jüngere Miss Darent würde, gut angezogen, Aufsehen erregen. Und daß die ältere das gewisse Etwas besaß, war unverkennbar.
"Da sind Sie ja, Witchett", sagte Lady Merion. "Bitte führen Sie Miss Dorothea und Miss Cecily in ihre Zimmer." An ihre Enkelinnen gerichtet fuhr sie fort: "Ich schlage vor, daß ihr euch bis zum Dinner ausruht, meine Lieben. Witchett wird dafür sorgen, daß eure Sachen ausgepackt werden. Sie wird sich auch um eure Garderobe kümmern, bis wir geeignete Zofen finden. Und jetzt ab mit euch." Sie entließ die beiden Schwestern mit einem Wink ihrer juwelengeschmückten Hand.
Die Mädchen folgten der Zofe in zwei hübsche Schlafzimmer, die offensichtlich neu eingerichtet worden waren. Dorotheas Raum war in sanftem Pastellgrün, Cecilys in einem hübschen Blau gehalten. Alles war bereits ausgepackt. Witchett versprach, wiederzukommen, um ihnen beim Ankleiden zum Dinner zu helfen und ging. Dorothea sank dankbar in die weichen Federn und schlief auf der Stelle ein.
Lady Merion hatte bei ihrem Küchenchef für den Abend ein einfaches und leichtes Menue bestellt. Da Dorothea und Cecily ihren Appetit wiedergefunden hatten, waren sie zum Glück imstande, die ungewohnten Londoner
Köstlichkeiten zu genießen.
Ihre Großmutter bestritt weitgehend die Unterhaltung. "Wichtig ist jetz vor allem, euch beide neu auszustatten", erklärte sie. "Auf unserer Liste steht daher als erstes Celestine, deren Modesalon in der Bruton Street zu Recht
berühmt ist."
Lady Merion hatte Madame Celestine einen Besuch abgestattet, nachdem sie sich entschlossen hatte, ihre Enkelinnen im ton zu präsentieren. Sie hatte der Schneiderin klargemacht, was sie von ihr erwartete. Celestine hatte ihr sehr erfolgreiches Geschäft in der richtigen Einschätzung ihrer Kundinnen aufgebaut, daß diese ihre Modelle in den besten Kreisen trugen. Sie nahm an,daß Lady Merions Enkelinnen alle exklusiven Veranstaltungen besuchen würden. Nachdem sie eine Beschreibung der jungen Damen erhalten hatte, hatte sie versprochen, ihr Möglichstes zu tun, um deren Debut zu einem Erfolg zu machen.
"Anschließend müssen wir dafür sorgen, daß mit euren Haaren etwas geschieht", fuhr Lady Merion fort. "Einen Tanzlehrer habe ich auch bereits engagiert. Ich glaube nämlich nicht, daß ihr den Walzer beherrscht." Sie machte eine Pause, aß ein paar Bissen und redete weiter: "Sobald ihr präsentabel seid, werden wir eine Ausfahrt in den Park unternehmen. Nachmittags um drei Uhr, das ist zu dieser Jahreszeit die richtige Stunde,um Leute zu treffen. Ich beabsichtige, euch einigen wichtigen Persönlichkeiten vorzustellen. Vielleicht begegnen wir auch Angehörigen der jüngeren Generation, mit denen ihr euch anfreunden könnt. Lady Jersey und Princess Esterhazy sollten ebenfalls dasein. Beide Damen sind Patronessen von Almack's und müssen euch eine Einladung zukommen lassen. Falls ihr dort keinen Einlaß findet, könnt ihr die Saison vergessen und gleich wieder nach Hause fahren."
"Gütiger Himmel!" rief Dorothea. "Ich hatte ja keine Ahnung, daß das so wichtig ist."
,.Es ist wichtig", versicherte ihre Großmutter und versorgte ihre Enkelinnen mit einer Fülle von weiteren Informationen. Dorothea und Cecily hörten aufmerksam zu. Ihr gesunder Menschenverstand sagte ihnen, daß sie soviel wie möglich von den Sitten und Gebräuchen der eleganten Gesellschaft lernen mußten, bevor sie sich zum erstenmal deren kritischen Blicken aussetzten.
Als Lady Merion gegen neun Uhr bemerkte, daß Cecily gähnte, beendete sie auf der Stelle ihre Lektion. ,.Zeit zum Schlafengehen", meinte sie lächelnd. "Läute bitte nach Witchett, Dorothea. Sie wird euch beim auskleiden helfen."
Nachdem sich die Tür hinter den beiden Mädchen geschlossen hatte, machte Lady Merion es sich auf einem Sofa bequem. Die Saison versprach,erfreulich zu werden. In letzter Zeit hatte es in ihrem Alltag in bedauerlichem Maß an Aufregung gemangelt.
Sie hatte nicht über sechzig Jahre lang in aristokratischen Kreisen verkehrt, ohne zu lernen, die Menschen ihrer Umgebung richtig einzuschätzen. Ihre ungekünstelten und
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