Dein ist mein ganzes Herz
wegen der anderen anwesenden Herren", antwortete sie schließlich. "Sie wissen jetzt, daß wir uns schon früher begegnet sind. Ich nehme an, daß wir uns auf eine akzeptable Geschichte einigen müssen."
Nach kurzem Überlegen nickte ihre Großmutter. "Ja, das wäre eine Erklärung." Lord Hazelmere war sich natürlich der möglichen Konsequenzen bewußt. Es entsprach seinem Charakter, den Schaden so gering wie möglich zu halten.
Nachdem Dorothea von der nagenden Furcht befreit war, eine gesellschaftliehe Todsünde begangen zu haben, verbrachte sie eine ruhige Nacht. Cecily schlief ebenfalls den Schlaf der Unschuld und erholte sich von den Reisestrapazen.
In der Bruton Street wurden Lady Merion und ihre Enkelinnen von Madame Celestine persönlich empfangen. Die erfahrene Schneiderin wußte sofort, daß die Schwestern Darent eine Herausforderung für ihr Talent waren. Fünf Minuten in ihrer Gesellschaft überzeugten sie, daß die Mädchen in ihrer offenen und charmanten Art sowie der unbewußten Ausstrahlung, die nur wahrhaft gute Herkunft verlieh, zu den Höhepunkten der Saison gehören würden.
Lady Merion nahm sie gleich nach der Ankunft beiseite. "Meine Enkelinnen haben gute Chancen,Madame", begann sie. "Miss Dorothea hat bereits die Bekanntschaft eines unverheirateten Peers gemacht. Natürlich kann ich den Namen nicht nennen, aber Lord H. läßt seine übliche Gleichgültigkeit vermissen. Ich habe jede Hoffnung, daß sie vor Ende der Saison gut versorgt ist."
Lady Merion vertraute darauf, daß sich ihre kleine Indiskretion verbreiten würde. Die ganze unangenehme Sache sollte wenigstens zu etwas nutze sein. Sie machte sich,ihre ältere Enkelin betreffend, keine Illusionen. Die blonde Cecily, die dem vorherrschenden Schönheitsideal entsprach, würde es leicht haben. Dorothea hingegen war zwar attraktiv, mußte aber neben ihrer jüngeren Schwester zur Bedeutungslosigkeit verblassen. Außerdem wirkte sie viel zu selbstsicher, um die ritterlichen Instinkte eines Gentleman zu wecken. Eine brillante Verbindung war pures Wunschdenken, eine gute Ehe immerhin im Bereich des Möglichen.
Celestine, eine dunkelhaarige Frau von unbestimmtem Alter, sprach mit leichtem, französischen Akzent. "Miss Cecily ist so blond und hellhäutig, daß sie wie ein junges Mädchen gekleidet werden muß. Für Miss Dorothea würde ich einen eleganteren Stil vorschlagen. Habe ich dazu Ihre Erlaubnis, Mylady?".
"Wir geben uns ganz in Ihre Hände, Madame."
Celestine nickte. Die albernen Töchter des ton auszustatten, bot ihr kaum die Möglichkeit, ihr Talent zu beweisen. Daher war eine Kundin wie Miss Dorothea Darent ein Geschenk des Himmels für sie. Guter Knochenbau, perfekte Haltung, ungewöhnliche Farben, eine elegante Figur und klassisch geschnittene Züge, mehr konnte sich eine Schneiderin wirklich nicht wünschen. Dorothea Darent würde, wenn sie mit ihr fertig war, überall Aufsehen erregen. "Bon!" rief sie. "Wir werden einfache Schnitte und gewagte Farben wählen, um die Vorzüge zu betonen, die Gott geschaffen hat."
Während der nächsten zwei Stunden, die die Damen inmitten von Seiden, Musselins und Baumwollstoffen verbrachten, diskutierten sie über die verschiedenen Schnitte, Materialien und Accessoires. Anschließend bestellte Lady Merion eine ganze Anzahl von Kleidern, von denen einige noch am gleichen Abend geliefert werden sollten.
Als die Mädchen nach einem leichten Lunch ihre Zimmer aufsuchten,stellten sie fest, daß Witchett inzwischen ebenfalls eingekauft hatte. Die Schubladen quollen von mit Spitzen besetzter Unterwäsche, Strümpfen aus feiner Seide, Handschuhen, Schals und Fächern fast über. Witchett, die sich erkundigen wollte, ob ihre Hilfe benötigt würde, traf die Schwestern dabei an, ihre Schätze zu bewundern.
Dorothea bedankte sich strahlend. "Wir hätten diese Sachen bestimmt vergessen", sagte sie.
Witchett erwiderte das Lächeln, was für sie uncharakteristisch war. Selbst ihr fiel es schwer, sich dem Zauber dieser fröhlichen, jungen Geschöpfe zu entziehen. ,,Aber Miss Cecily, Sie sehen ja ganz zerknittert aus", schalt sie freundlich. "Betsy kann Ihr Kleid bügeln, während Sie sich ausruhen. Sie wartet in Ihrem Zimmer, um Ihnen beim Auskleiden zu helfen."
"Aber ich möchte mich nicht hinlegen.,"
Der verdrossene Ton alarmierte Dorothea. Cecily konnte sehr ungnädig werden, wenn sie übermüdet war. Scheinbar gelangweilt betrachtete sie einen Spitzenkragen. "Niemand wird dich dazu zwingen",
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