Dein ist mein ganzes Herz
deren Gesellschaft sie sie vor den unwillkommenen Annäherungsversuchen des Prinzregenten einigermaßen sicher glaubten. Schon nach kurzer Zeit entstand Unruhe unter den Gästen, die die Ankunft des Schirmherren des Balles ankündigte. Während der ziemlich korpulente Prinz in Begleitung von zwei Vertrauten durch den Saal schlenderte, verbeugten sich zu beiden Seiten die Herren, die Damen knicksten. Hin und wieder blieb er stehen, um mit einem Bekannten ein paar Worte zu wechseln oder eine schöne Frau anzuschauen.
Als sich der Prinz Dorothea näherte, versank sie in einem tiefen Knicks und neigte den Kopf, wie man es sie gelehrt hatte. In dieser Pose mußte sie verharren, bis er weitergegangen war. Während sie wartete, sah sie seine roten Abendpumps, die mit großen Goldschnallen verziert waren. Ein verstohlener Blick nach oben zeigte, daß er sie aus seinen hervorquellenden, wässrigblauen Augen intensiv musterte. Schließlich lächelte er, nahm ihre Hand und zog sie in die Höhe.
Der hinter ihr stehende Marquess legte seine Hand leicht auf Dorotheas Taille, von der anderen Seite rückte Mrs. Drummond-Burell näher an sie heran. Man hatte dem Prinzen von der schönen Debütantin Miss Darent berichtet, ihn aber gleichzeitig gewarnt. Es sei nicht ratsam, sie zu einem privaten Stelldichein einzuladen, da sie mit dem Marquess of Hazelmere so gut wie verlobt sei. Der Anblick des bezaubernden, dunkelhaarigen Mädchens hatte ihn diese Warnung für kurze Zeit vergessen lassen.
"Sie sind wirklich sehr schön, meine Liebe", sagte er, ließ ihre Hand los und ging weiter.
Dorothea spürte formlieh die allgemeine Erleichterung. Sie drehte sich zu Lord Hazelmere um. "Warum haben Sie mir nicht erzählt, daß er sich so ... so benimmt?"
"Weil man nie voraussagen kann, wie er sich benimmt." "Waren Sie deshalb statt meiner Großmutter bei mir?"
"Seine Hoheit macht gelegentlich höchst unpassende Annäherungsversuche."
"Ich verstehe. Und das hat er in Ihrer Gegenwart nicht gewagt."
Er führte sie in den Teil des Saales, der dem Tanzen vorbehalten war. Die
Musiker spielten zu einem Walzer auf, und der Marquess wünschte sich, daß es ein verlassenes Gewächshaus gäbe, weil Dorothea so steif in seinen Armen lag. Erst nach einiger Zeit ließ ihre Anspannung etwas nach. Er schaute in ihr ausdrucksloses Gesicht und hatte keine Ahnung, was sie dachte. Da sie ihm gegenüber stets offen gewesen war, hätte er nie geglaubt, sie könnte sich so völlig in sich zurückziehen.
Nach Ende des Walzers lieferte er Dorothea voller Bedauern bei ihrer Großmutter ab. Er war sehr erleichtert, daß Lord Alvanley sie zum nächsten Tanz aufforderte.
Dorothea war ziemlich verwirrt, und der Zwang, höfliche Konversation machen zu müssen, half ihr auch nicht gerade zu einer besseren Gemütsverfassung. Sie hatte akzeptiert, daß Sie und Lord Hazelmere früher oder später zu einem Einverständnis gelangen würden.Jetzt sah es plötzlich so aus, als ob sie in der Angelegenheit gar nichts mehr zu sagen hatte. Offenbar war jeder,der Prinzregent eingeschlossen, überzeugt, daß sie den Marquess heiraten würde. Die Erkenntnis, daß sie in seinen Händen nur eine Marionette war, ärgerte sie unbeschreiblich.
Seine Freunde tanzten mit ihr, als ob sie bereits seine Ehefrau wäre. Da sie ihre vorbildliche Haltung beibehielt, ahnte keiner ihrer Partner etwas von ihrem tatsächlichen Gemütszustand.
Mit einer gewissen Unbekümmertheit schaute sie einen gutgelaunten Franzosen an, der sich vor ihr verbeugte und sie um den nächsten Tanz bat, den sie ihm mit Erlaubnis ihrer Großmutter gewährte. Der Comte de Vanee war erst kürzlich aus Paris nach London gekommen. Dorothea schenkte seinem Geplauder kaum Beachtung, bis er den Namen Hazelmere erwähnte.
"Es tut mir leid, Comte, aber ich habe nicht verstanden, was Sie gerade äußerten", unterbrach sie ihn. '
"Mademoiselle, ich sagte nur, daß es dem Marquess of Hazelmere immer wieder gelingt, die schönsten Frauen zu seinen Geliebten zu machen - zum Beispiel die reizende Lady Walford, mit der er sich gerade unterhält." Dorothea schaute in die angegebene Richtung und entdeckte Lord Hazelmere, der in ein Gespräch mit Lady Walford vertieft war. Seine Haltung verriet sogar ihren unerfahrenen Augen ein hohes Maß an Vertrautheit. Es kostete sie einige Mühe, Ruhe zu bewahren.
Der Comte, dem nicht entgangen war, daß sie sich bei dem Anblick des Paares versteifte, war mit seinem Erfolg sehr zufrieden. Was er
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