Dein Kuss in meiner Nacht
dich hier zurechtweise, dann hat das nichts mit dir und mir zu tun. Ich liebe dich. Du bist die Welt für mich. Aber wenn ich trainiere, dann mit vollem Einsatz. Ich verlange mir selbst alles ab beim Training und ich erwarte das Gleiche von allen , mit denen ich trainiere. Ich werde keine Ausnahme machen, nur weil ich dich liebe. Training ist kein Rendezvous. Es ist hart, denn der Ernstfall ist auch hart. Du hast bewiesen, dass du tough sein kannst. Du hast dich sogar diesem Koloss von einem Kannibalen gegenübergestellt. Wirst du jetzt vor mir kneifen?«
Wenn er es so ausdrückte, dann kam ich mir kindisch vor. Er hatte ja Recht. Training war kein Rendezvous. Ich wollte nicht, dass er enttäuscht von mir war. Aber es war verdammt hart. Ich hatte mich bisher im Schulsport immer gedrückt, wo ich nur konnte. Ich hielt mich nicht für besonders sportlich, und jetzt sollte ich in drei Monaten zur Kämpferin ausgebildet werden?
»Tut mir leid«, sagte ich. »Ich weiß nur nicht, wie ich das alles schaffen soll.«
»Hey! Das ist erst dein zweites Training und du machst dich gut. Wenn du jetzt noch besser auf mich hören würdest, dann wärst du sehr gut. Ich weiß, du kannst es. Ich glaube an dich!«
»Das hat bisher nur ein Mensch zu mir gesagt«, flüsterte ich bedrückt.
»Dein Dad?«
»Ja. Wir hatten eine Aufführung im Kindergarten und ich hatte Lampenfieber. Mein Dad sagte genau das, was du eben gesagt hast, dass er weiß, dass ich es kann, dass er an mich glaubt.«
»Ich bin sicher, dass er jetzt sehr stolz auf dich wäre«, sagte Cole und nahm mich in den Arm.
Ich kuschelte mich an seine Brust und genoss es, seinen ruhigen Herzschlag zu hören. Seine Wärme hüllte mich ein und ich spürte, wie alle Anspannung von mir wich.
»Ich liebe dich«, flüsterte ich.
»Ich liebe dich auch«, erwiderte er ebenso leise. »Lass uns für heute Schluss machen und ich zeige dir etwas.«
»Was denn?«, fragte ich neugierig.
»Ah-ah. Das wird nicht verraten. Überraschung.«
»Oh, das ist gemein!«, rief ich empört und boxte ihn. »Ich sterbe vor Neugier.«
»Keine Chance!«, sagte er lachend. »Du wirst dich schon gedulden müssen, bis wir da sind."
Nachdem ich geduscht hatte, wartete ich in der Lobby auf Cole. An einer Wand hingen große Glasrahmen mit den jeweiligen Abschlussjahrgängen der vergangenen zwanzig Jahre. Mein Blick glitt über die Bilder von Jungen und Mädchen, bis ich an einem vertraut aussehenden Gesicht hängen blieb. Mein Herz begann, schneller zu klopfen.
»Dein Dad«, erklang Coles Stimme hinter mir.
»Er sieht so jung aus«, sagte ich leise. »Wie alt mag er gewesen sein?«
»So alt wie ich. Achtzehn.«
»Ist meine Mum hier auch irgendwo?«, fragte ich aufgeregt.
»Mal sehen. Sie war im gleichen Jahrgang wie dein Dad.«
Cole ließ seinen Blick über die Bilder schweifen. »Hier ist sie«, verkündete er schließlich und zeigte auf das Bild eines rothaarigen Mädchens.
Ich trat näher und studierte das feine Gesicht meiner wirklichen Mutter. Sie hatte dieselben Augen, wie ich, doch ihr Gesicht war lang, eher oval, während meines herzförmig war. Aber das Haar ...
»Jetzt weiß ich wenigstens, wem ich dieses Haare zu verdanken habe«, scherzte ich.
»Ich liebe dein Haar«, sagte Cole und vergrub sein Gesicht in meinen Locken. »Es duftet so gut und es fühlt sich so seidig an.«
»Ja, und es steht in alle Himmelsrichtungen ab und leuchtet meilenweit«, schnaubte ich. »Mums Haar sieht schöner aus. Ordentlicher. Wenn ich mein Haar zusammenbinde, ist es fünf Minuten später schon wieder lose.«
»Vielleicht war es bei ihr auch so«, wandte Cole ein. »Möglich, dass sie es für das Foto extra frisch frisiert hatte.«
»Ich glaube, sie sah nie so wirr aus wie ich. Sie gleicht einem Engel. Sie ist ... war wunderschön.«
»Und du bist auch wunderschön«, beharrte Cole. »Wenn du es nur endlich glauben würdest.«
Ich wollte etwas erwidern, doch dann beließ ich es dabei. Stattdessen schaute ich sehnsüchtig auf das Bild der Frau, die mir mein Leben geschenkt hatte und die ich nie kennenlernen durfte. Ob sie mich geliebt hätte?
»Komm«, riss mich Cole sanft aus meinen Gedanken. »Ich hab dir eine Überraschung versprochen.«
Wir fuhren aus der Stadt hinaus aufs Land. Die Wiesen, Felder und Wälder sahen ganz so aus wie bei mir zu Hause. Von dem Science-Fiction-Flair der Stadt war hier nichts zu spüren. Ich fragte mich, wohin wir fuhren. Was wollte er mir zeigen?
»Wohin
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