DEIN LETZTER TANZ
Stolz meines Dads.“
„Er ist Dompteur? Ich dachte, er wäre der Zirkusdirektor.“
„Ist er ja auch, aber mit den Löwen ist er schon aufgetreten, als sein Vater den Zirkus noch geleitet hat. Die Tiere gehören praktisch zur Familie. Als ich noch klein war, habe ich manchmal mit Soraya gespielt. Sie ist die jüngere der beiden Löwendamen.“
„Im Ernst?“ Erschrocken starrte Keisha sie an. „War das nicht furchtbar gefährlich?“
Donna lachte. „Wenn ich heute so darüber nachdenke, frage ich mich das manchmal auch. Aber Soraya war damals ja selbst kaum mehr als ein Baby. Ich schätze, mein Vater wusste schon, was er tat. Heute würde ich allerdings nicht mehr freiwillig in den Löwenkäfig gehen, das kannst du mir glauben.“
„Wow“, stieß Keisha ehrfürchtig aus, als sie schließlich vor dem Wagen standen, in dem sich der Löwenkäfig befand. Die drei Tiere, zwei Weibchen und ein Männchen mit prächtiger Mähne, musterten die beiden Mädchen neugierig. „Das ist echt aufregend. Ich kann es gar nicht abwarten, sie nachher in Aktion zu sehen.“
„Du wirst begeistert sein“, prophezeite Donna. „Mein Vater hat Soraya, Medusa und Tristan voll im Griff. Die vier sind echt ein starkes Team. Aber der Star der Show ist und bleibt der Clown.“
„Der Clown? Wirklich? Aber die Löwen sind doch viel aufregender.“
„Tja.“ Donna zuckte mit den Schultern. „Ich schätze, die Leute kommen vor allem in den Zirkus, um sich zu amüsieren. Und das gelingt ihnen am besten, wenn sie mal so richtig lachen können. Die Tiernummern sind zwar auch ziemlich beliebt, ebenso wie die artistischen Darbietungen. Aber die wahren Stars der Manege, das sind und bleiben die Clowns.“
„Und wie ist er so, euer Clown?“
„Keine Ahnung. Unser alter Clown Bruno war ein echter Publikumsliebling, aber er hat sich leider vor ein paar Wochen aus gesundheitlichen Gründen in den Ruhestand zurückziehen müssen. Und Clive, den Neuen, habe ich bisher nur in seiner Probeaufführung gesehen. Da war er ziemlich gut, aber man weiß ja nie. Ich bin echt schon gespannt auf heute Abend. Da hat er sein Debüt, genauso wie unser neuer Zauberer und auch Max, der Jongleur. Zwar sind sie erst mal alle auf Probe hier, aber ich hoffe, vor allem Max bleibt länger.“
„Ach, und warum das?“ Keisha sah sie forschend an.
Donna spürte, dass sie rot wurde. „Na ja, er ist … ganz nett.“
„Nett? Na, nicht vielleicht doch ein bisschen mehr als das?“
Hastig winkte Donna ab. „Quatsch, ich kenne ihn doch kaum! Außerdem geht’s im Moment sowieso um Wichtigeres. Wenn der neue Clown nicht genauso beliebt bei den Leuten wird wie der alte Bruno, dann sieht’s für den Zirkus bald noch schlechter aus als ohnehin schon. Deshalb bin ich auch wahnsinnig gespannt auf seine Premiere heute Abend.“
„Und wann trittst du auf?“
„Ich bin vor der Pause dran.“ Donna schaute auf die Uhr. „Apropos, es wird Zeit, dass ich mich fertig mache. Hast du vielleicht Lust, mir bei den Vorbereitungen zuzuschauen?“
Keisha nickte begeistert. „Nichts lieber als das!“
„Na, dann komm. Mein Wohnwagen ist der blaue dort hinten.“
„Du hast deinen eigenen Wagen?“
„Na hör mal, ich bin schließlich kein kleines Kind mehr! Oder hättest du vielleicht Lust, mit deinen Eltern auf zwanzig Quadratmetern zusammenzuleben?“
„Du lieber Himmel, bloß nicht!“
Donna grinste. „Siehst du. Und jetzt komm. Ich muss vor der Vorstellung noch Programmhefte im Vorzelt verkaufen. Wenn du magst, kannst du ja mithelfen.“
„Ja, klar. Gerne.“
In ihrem zarten rosafarbenen Kleid und den weißen Tanzschuhen sah Donna aus wie eine Primaballerina. Obwohl sie hochkonzentriert war, bemühte sie sich, zu lächeln und eine entspannte Miene zu zeigen.
Hoch über den Köpfen der Zuschauer, die staunend zu ihr emporblickten, balancierte sie über das Stahlseil, das kaum dicker war als ihr Zeigefinger. Sie spürte die Vibrationen unter ihren Fußsohlen, doch sie hatte keine Angst.
Sie war in ihrem Element. Hier gehörte sie hin.
Schon seit sie als kleines Mädchen auf einem Seil trainiert hatte, das knapp einen halben Meter über dem Boden aufgespannt gewesen war, hatte sie davon geträumt, selbst einmal eine so großartige Seiltänzerin zu werden wie ihre Mutter, die mittlerweile nur noch auftrat, wenn Donna krank oder verhindert war.
Das hatte sie inzwischen geschafft. Sie genoss es, die staunenden Blicke der Zuschauer auf sich zu ziehen.
Und
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