Dein Name
wie GroÃvater schreibt, sondern vierundvierzig. Was heiÃt das schon, ein Eintrag in Wikipedia , vierhundertachtzig Links der Suchmaschine? Es ist wie die Entdeckung eines Sterns oder eine Wiederauferstehung: Schau, unter Millionen, vielleicht Milliarden Namen ist einer wieder Mensch geworden, wenngleich nur für die vier oder fünf Nachfahren, die GroÃvaters Selberlebensbeschreibung gelesen haben. Durch einen Lexikoneintrag allein wäre Doktor Jordan nicht wiederauferstanden, nicht einmal durch eine StraÃe. Ich habe mich immer schon gefragt, warum der Boulevard, der sich durch den Norden Teherans zieht, diesen merkwürdigen Namen trägt. Er ist noch heute die Ausgehmeile der Hauptstadt mit vielen Boutiquen, mit Cafés, Fastfood und besseren Restaurants. Im Sommer staut sich dort noch um zwei Uhr morgens der Verkehr, wie selbst Wikipedia beobachtet hat. Auch viele ausländische Botschaften liegen am Bolwâr-e Djordan , und ein ganzer Stadtbezirk ist nach ihm benannt. Ich nahm an, daà damit der Staat gemeint sei, bis mir einfiel, daà Jordanien auf persisch Ordun heiÃt. Wieso also Djordan -Boulevard? Die Idee, daà Djordan ein englischer Name sein könnte, kam mir nie, da ich die persischen Buchstaben instinktiv mit der Betonung auf der zweiten Silbe und noch dazu mit hellem a las, also Djor-dán statt Djór-den. Hatte es mit dem Jordan zu tun? Eine mythische Bedeutung? Hatte ich im Koran wieder etwas überlesen? Nicht daà ich mir viele Gedanken gemacht hätte, aber man stöÃt, wenn man auf Teherans Stadtautobahnen fährt, so oft auf Abzweigungen und Kreuze, die zum Bolwâr-e Djordan führen, daà sich die Frage immer wieder einmal stellt. Jetzt erfahre ich, daà die StraÃe nach Doktor Samuel Martin Jordan benannt ist, dem Rektor meines GroÃvaters. Die wenigsten Teheraner wissen das, vermute ich. Auch für sie ist Djordan nur ein merkwürdiger Name für einen Boulevard. Nach der Revolution wurde er in Afrika-StraÃe umbenannt, aber nicht einmal die Ausfahrtsschilder der Stadtautobahn halten sich daran. Gebildete Iraner dürften Doktor Jordan kennen, »Vater der modernen Bildung« heiÃt es auf Wikipedia , nicht so die heutigen Staatsvertreter und ausländischen Diplomaten, deren Kolonnen jeden Tag über die zweitwichtigste StraÃe Teherans preschen: Ihnen dürfte kaum bewuÃt sein, daà die StraÃe den Namen eines Amerikaners trägt, noch dazu eines christlichen Missionars. Dabei ist der Name gut gewählt: ein Amerikaner, der sich als Iraner fühlte, wie er seinen Schülern oft sagte; der das Land mehr liebte als alle Iraner, wie einer seiner Schüler schrieb; der mit Sicherheit mehr Gutes für das Land getan hat als alle Staatsvertreter zusammen, die in ihren Limousinen heute über den Jordan-Boulevard preschen.
Erst war der Staatsbeamte zu Besuch, der sich die Islamkonferenz ausgeheckt hat. Wenn man sich in wirklich allem, in der Analyse der Versäumnisse, dem Stirnrunzeln über die ÃuÃerungen der Verbandsvertreter und der Einsicht in die Notwendigkeit der Geduld, blind mit dem Herrn versteht, der für den deutschen Staat die Eingemeindung des Islam betreut, kann es so schlecht nicht laufen, dachte der Muslim. In einem pathetischen Moment gegen Ende des Gespräches im coolen Café mit den biologisch angebauten Suppen, neben dem türkischen Restaurant mit den Plastiktischdecken und gegenüber von den Modelleisenbahnen, sagte der Muslim dem Staatsbeamten und dessen Mitarbeiter, der älter ist als sie beide und bestimmt schon einige Minister erlebt hat, er sagte, in vierzig, fünfzig Jahren wird man in den Chroniken lesen können: 2006 hat das begonnen, daà die Muslime in Deutschland heimisch wurden und als heimisch galten, mit einer Initiative des damaligen Innenministers, ausgerechnet eines Christdemokraten, und Sie sind dabei, und wir alle zusammen, die besonnenen Kräfte in diesem Land, wir kriegen das hin. Die Zeitungskästen mögen wüten, sie mögen den Mob herbeischreiben, aber in unserer Hand liegen die Dinge. Spätestens wenn einer der Chefredakteure, Talkmaster oder Verleger Gülinaz oder Mehmet heiÃt, werden die Zeitungskästen sich ein anderes Beispiel suchen für die Abschaffung Deutschlands, die sie seit hundert Jahren befürchten (still waren sie nur in den zwölf Jahren, als Deutschland sich tatsächlich abgeschafft hat). Abends
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