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besuchte er dann für die Zeitung die groà angekündigte Bürgeranhörung zum Moscheebau in Ehrenfeld. Zu Hause befürchteten alle das Schlimmste, vor allem nach der Eskalation, die die Lokalzeitung mit ihren Berichten und Interviews ausgelöst hatte. Aber dann hatten die HaÃprediger keine Chance. Vier, fünf von ihnen wurden des Saals verwiesen, die anderen von den achthundert Bürgern in der rappelvollen Schulaula übertönt. Sicher wurden Bedenken geäuÃert, auch Ablehnung, aber es waren gröÃtenteils ganz konkrete Einwände, artikuliert ohne jeden Schaum. Die Verkehrsführung, die vielen Ein-Euro-Shops auf der Ehrenfelder EinkaufsstraÃe, die Lärmbelästigung, die viel zu knappen Informationen des Bauträgers, die Höhe des Minaretts, nicht das Minarett an sich. Als der Architekt, der für seine Kirchenbauten berühmt ist, den wirklich beeindruckenden und keineswegs, wie zu lesen war, osmanisierenden Entwurf der Moschee auf die Leinwand projizierte, haben die Menschen in der Aula gejubelt â Deutsche. Das muà man sich vorstellen. Die Angehörigen der Mehrheitsgesellschaft nehmen den Symbolbau einer neuen Minderheit nicht nur hin, nein, sie sagen: Ja, so eine Moschee, also wenn sie so herrlich aussieht â die wollen wir haben. Applaus. Die Leute müssen doch irgendwo beten. Applaus. Wir können doch nicht sagen, daà die sich integrieren sollen und gleichzeitig verlangen, daà sie mit ihrem Glauben in den Fabrikhallen bleiben. Applaus. Wir sind Ehrenfeld. Jubel. Es gibt in Köln eine breite weltoffene Mitte, die ins Gutmenschentum übergeht, auch und gerade unter Leuten, die ihre Hosen ausschlieÃlich mit Bundfalten tragen. Es ist dem Berichterstatter schon oft aufgefallen und wunderbar, unter solchen Menschen zu leben, Gutmenschen seinetwegen, aber tausendmal angenehmer als die konvertierten Kulturkämpfer von ehemals links, die nicht mehr darüber reden möchten, gestern den Irakkrieg unterstützt zu haben, und dafür heute im Namen der westlichen Freiheit O -Töne wie von Rechtsradikalen auf die Titelseiten spucken. Dann sind ihm Menschen tausendmal lieber, die immer Verständnis haben, auch dort, wo es gar nicht angebracht wäre, wo man meinen könnte, daà es auch mal reicht. Natürlich hat die Dame recht, die sich darüber beschwerte, daà diese Türken, die ihretwegen eine Moschee haben sollen, ständig in der zweiten Reihe parken. Die Jungs in den schwarzen BMW s regen den Berichterstatter auch auf. Penner ruft er dann hinterher, Asi oder, wenn sie ihm auf dem Fahrrad wieder die Vorfahrt genommen haben, ScheiÃtürke. Das ist noch halbwegs lustig, aber den afghanischen Jungen, der in der Schule die Ãltere verprügelte und gegen den die Lehrerinnen und Betreuerinnen keine Chance haben, weil er es von zu Hause offenbar nicht kennt, Frauen zu respektieren, den fand der Berichterstatter überhaupt nicht lustig. Natürlich ist das ein Problem. Allein, wieso erwartet irgendwer, daà ein Anteil von dreiÃig Prozent Einwanderern aus gröÃtenteils unterentwickelten, ländlichen Gebieten keine Probleme verursacht für die alteingesessenen siebzig Prozent? Gewià verursachen Einwanderer Probleme. Aber genau so, wie es auf der Bürgeranhörung geschah, ist über diese Probleme zu reden. Das war, der Berichterstatter konnte es selbst nicht glauben, Demokratie in Reinkultur. Jeder, der nicht pöbelt, darf seine Meinung äuÃern, ihm wird geantwortet, und wenn es sich bis weit nach Mitternacht hinzieht. Wir haben Zeit, sagt der Versammlungsleiter. Es geht der Reihe nach und streng nach Vorschrift. Sie wollen eine Moschee bauen? Haben Sie denn genug Parkplätze? Der Berichterstatter hatte einen Freund aus Teheran mitgenommen, einen Schriftsteller, der zu Besuch in Köln ist. Bauklötze staunte der Besuch. Was für eine Toleranz, murmelte er immer wieder, was für ein entwickeltes Land. Der Berichterstatter sah, wie die jungen Türken, die ihre Beiträge in besserem Deutsch vortrugen als die Randalierer, strahlten, wie sie stolz waren, wie sie dachten: Hier gehören wir hin, auch die, die nach schwarzen BMW s aussahen (der des Berichterstatters ist blau und ein Kombi, um das zu betonen). Eine Frau im Kopftuch, orientalisch die Gesichtszüge, rheinisch ihr Tonfall, wünschte sich begeistert, daà Köln seinen Weltruf als Zentrum der Lesben und
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