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Schwulen bewahre (unterm Weltruf machtâs in Köln keiner), aber sich zusätzlich auch als Zentrum der religiösen Vielfalt etabliere. Bei der Aussicht schnalzt man doch mit der Zunge: Zentrum der sexuellen und religiösen Vielfalt. Das wäre, nein, das ist sie schon, die Kölner Botschaft. Möge sie gehört werden, sehr gern in der Welt und zumal in der Heimat des iranischen Schriftstellers, aber mindestens in den Redaktionen und Staatskanzleien der Republik.
Bevor der Enkel mit GroÃvater fortfährt, dessen Wirklichkeit für ihn schon dadurch relevant wird, nicht seine eigene zu sein, muà er den Hausmeister rehabilitieren, der sich zwar ab und zu aufregt, ja, aber nicht mehrmals täglich. Ãrgerlich findet der Enkel eher die Unzuverlässigkeit, die GroÃvater einem Deutschen gar nicht zugetraut hätte. Trotz dutzendfacher Nachfrage dauerte es zehn Monate, bis der Hausmeister endlich den Schlüssel zum Hof aushändigte, wo die Müllcontainer und Fahrräder stehen, und hätte sich der Enkel auf den Hausmeister verlassen, besäÃe er immer noch keinen neuen Kühlschrank. Als jemand, der das Land von auÃen wie von innen betrachtete, kannte Doktor Jordan die Iraner bestens und regte sich am meisten über die Leichtigkeit auf, mit der sie lügen. Ich hatte immer angenommen, daà der Hang zur Verstellung eine Folge der Revolution sei, die die meisten Menschen zu einem Doppelleben zwingt. Jetzt lese ich, daà Doktor Jordan die Lügerei vor hundert Jahren bereits beklagte. »Im Reden ist es das höchste, im Handeln das niedrigste Volk«, pflegte er zu seufzen. Bei ihm klang das nie apodiktisch oder herablassend, eher hadernd. Von klein auf lernten die Iraner, daà der Lügner der Feind Gottes sei, und müÃten dennoch an der Haustür den Vater verleugnen, der keine Lust auf Besuch hat. Als Zwecklüge täten sie es dann ab. Doktor Jordan lieà keine Ausflüchte gelten. Die Schuld dafür, daà die Iraner so bedenkenlos die Unwahrheit sagten, gab er ausgerechnet GroÃvaters Lieblingsdichter, dem gepriesenen Saadi. Einmal führte Doktor Jordan den Schülern in seinem komischen Persisch, mit weit ausholenden, theatralischen Gesten einen Dialog vor, den er im Jenseits mit dem Dichter führen werde. Verehrter Scheich, würde Doktor Jordan sagen, Sie haben die Iraner zu einem Volk der Lügner gemacht. â Ich? würde Saadi erwidern: Das habe ich nie getan! â Aber ja! würde Doktor Jordan rufen: Und zwar mit Ihrem berühmten Vers, in dem Sie sagen, daà eine nützliche Lüge einer Wahrheit vorzuziehen sei, die Unfrieden stiftet. â Lieber Herr Doktor, da haben Sie wohl recht, ich entschuldige mich. Die Schüler verteidigten ihren Dichter und trugen die Geschichte, aus welcher der Vers stammt, ein ums andere Mal vor, um zu zeigen, daà Saadi keinen Freibrief zu lügen ausstellt. Doktor Jordan zitierte andere Verse, die seine Behauptung zu bestätigen schienen, worauf die Schüler neue Argumente suchten, um ihren Lehrer zu widerlegen. Genau das wollte Doktor Jordan erreichen. Er zwang die Schüler zum Nachdenken und wollte, daà sie freiheraus redeten. Er wollte sogar, daà sie ihm widersprächen, und lachte mit, wenn sie ihn karikierten. Natürlich waren es harmlose SpäÃe â aber es waren SpäÃe, die sie mit ihm treiben durften, einem Lehrer, einem Erwachsenen, einer Autorität. Auf einem Ausflug fragte ein Junge namens Soleyman, ein Jude übrigens und besonders begabter Schüler, ob der Stock, auf den sich der Herr Doktor beim Gehen stützte, nur der Optik diene oder eine praktische Funktion habe. Der Stock ist für mich so wichtig wie zwei FüÃe, antwortete Doktor Jordan. Soleyman, der die Antwort wohl erwartet hatte, rief triumphierend: Dann sind Sie also ein Vierbeiner, Herr Doktor! Es war nicht nur Wissen, das Doktor Jordan vermittelte. Es war, um es mit einem Wort zu sagen, die Aufklärung. Noch zwei weitere Seiten lang fährt GroÃvater mit Anekdoten seines Teheraner Schulrektors fort, die heute harmlos anmuten mögen oder sogar trivial, einem iranischen Jungen Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts, der aus Isfahan gekommen war, jedoch ungeheuerlich erschienen. Seite für Seite sehe ich ein wenig deutlicher, warum GroÃvater so war, wie er war, und damit auch manchen Grund dafür, wie ich bin. Unsere Geschichten beginnen vor unserer
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