Dein Name
machen, es ist ja in derselben Gasse, ich bin gleich wieder da, und dann dauert es mindestens zwei Stunden. Das ist es, was den Hausmeister aufregt, diese Ausflüchte, ich war doch nur einkaufen, was ihn täglich zweimal auf die Palme bringt und künftig seltener wegen des neuen Schildes. Dafür werden die Kunden Randale machen, wenn sie die Knöllchen vorfinden oder sie ihr Auto gar in Ossendorf abholen müssen.
»Ich habe mich sehr über deine e-mail gefreut«, mailt die Ãltere. »Ich fahre von freitag abend bis Sonntag zu Oma und Opa.Danke für den kilometerzelher.In Rom will ich nicht nur wenn ich heimweh habe 2 kugeln bekommen!« Den Kilometerzähler kaufte der Vater ihr am Nachmittag für die beiden Klavierstücke, die sie gelernt hat, eigentlich schon fürs vorletzte, aber die Ãltere sah ein, daà ein Kilometerzähler fürs Fahrrad recht teuer und also zwei Klavierstücke wert sei. So schenkte sie dem Vater eine Etüde. Beschwingt war sie auch deshalb, weil er den Anfang einer neuen Geschichte erfunden hatte, den sie so komisch fand, daà sie ihn unter penibler Aufzählung aller Pointen beim Abendessen nacherzählte. Er bemüht sich, besonders liebevoll zu sein, liest nicht nur aus Büchern vor, sondern erfindet ein neues oder geht, statt vor dem Abendessen zu joggen, einen Kilometerzähler kaufen. Umgekehrt gibt sich die Ãltere Mühe, sich mit dem abzufinden, was unabänderlich erscheint, und das Positive zu sehen, sofern der Vater das Negative zugibt. »Bist du von allen seiten glücklich das wir für 11 Monate nach Rom Ziehen?« schrieb sie am Abend, nachdem ihre gröÃte Sorge vom Aquariumshändler ausgeräumt worden war: »Ich weià nicht ob ich Glücklich sein soll oder nicht.Von einer Seite ist es gut von der anderen ist es schlecht.Aber das wichtigste ist das wir alle zu samen sind.« Dafür hat der Vater nun die Sorge, zwei Schildkröten mitsamt Aquarium nach Rom zu transportieren. So groà ist der BMW nun auch wieder nicht, den er im Kiosk neben dem Büro gekauft hat (»Ich kenn Freund«), daà zusätzlich zum Gepäck eines Jahres Platz wäre für das Haifischbecken, das ihnen der Aquariumshändler aufgeschwatzt hat. Dein Papa, beruhigte der Aquariumshändler sie, muà nur alle zwei Stunden anhalten, um das Wasser zu wechseln, dann ist die Fahrt überhaupt kein Problem für deine Schildkröten. Schneller als Goethe bin ich allemal, versuchte der Vater bei der Vorstellung zu nicken, alle zwei Stunden eine Autobahnraststätte anzufahren, um auf der Herrentoilette ein Haifischbecken auszuschütten und wieder aufzufüllen.
Anders als von den Lehrern, die GroÃvater bisher unterrichteten, selbst den aufgeklärtesten, wurden die Kinder in der Amerikanischen Schule nie geschlagen. Nur ein einziges Mal verhängte ein Lehrer die Prügelstrafe, und zwar nach einer Beleidigung Jesu Christi, die GroÃvater noch siebzig Jahre später für so ungeheuerlich hält, daà er, geschweige den Frevel zu zitieren, nicht einmal die äuÃeren Umstände schildern möchte. Lieber würdigt er Doktor Jordan, »obwohl meine Fähigkeiten zu gering und sein Rang zu hoch ist, als daà ich mir anmaÃen könnte, ihn für die Nachwelt zu charakterisieren«. So schreibt er, GroÃvater, in diesem Stil, und das ist nur zum Teil dem Blumigen des persischen Ausdrucks und dem Kodex iranischer Bescheidenheit geschuldet. Ein Abend mit älteren iranischen Männern, und man erfährt, wie es unter strikter Beachtung des Kodex mühelos gelingen kann, in langen Monologen ausschlieÃlich die eigenen Erfolge und Auszeichnungen anzuführen. Auf den bisherigen achtundzwanzig kleingedruckten Din- A4 -Seiten erwähnt GroÃvater keine Zeugnisnote, kein Lob eines Lehrers, keine frühe Heldentat, und es würde mich nicht überraschen, wenn er aus seinem restlichen Leben ebensowenig Gründe anführt, stolz zu sein. Womöglich ist es eben die fehlende Hybris, die ihn vom Künstler unterscheidet und seiner Selberlebensbeschreibung zur Literatur fehlt. Dabei hat er doch Bemerkenswertes geleistet, gehörte zu den ersten Isfahanis, die eine ausländische Schule in Teheran besuchten, wurde später stellvertretender Filialleiter der Nationalbank in Isfahan. Das ist keine Traumkarriere, aber auch kein gewöhnlicher Lebenslauf, denn wie viele moderne
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