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Dein Name

Titel: Dein Name Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Navid Kermani
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Enayatollah Sohrab von den protestantischen Missionaren in Isfahan nicht viel Gutes zu berichten, die für die Einheimischen nur Verachtung übrig gehabt hätten. Als er einmal die Kirche betrat, in der die Engländer selbst beteten, wurde er beschimpft und sofort wieder vor die Tür gesetzt. Selbst den iranischen Christen war der Zutritt zur britischen Kirche verboten, den Armeniern genauso wie den Konvertiten. Das Christentum, so kam es Enayatollah Sohrab vor, unterteilte seine Gläubigen nach Rassen. Und Mister Allanson? Ja, Mister Allanson war anders. Enayatollah Sohrab beschreibt ihn als freundlichen, etwas naiven jungen Priester, der zwar ebenfalls für seinen Glauben warb, jedoch ohne Hinterhalt. Mehr noch: Freimütig weihte er die Schüler in die Methoden ein, mit der die Missionare sich mit einem Land vertraut machten, die Taktiken, die sie erlernten, um das Vertrauen der Bevölkerung zu gewinnen, die Listen, die ihnen erlaubt waren. Da er sie bei Großvater nicht angewendet hat, bekümmern sie mich nicht. Das Wort »Übergangssyndrom«, das in den Telefonaten ständig fällt, muß ein Fachbegriff aus der Angelologie sein. Die Brüder bestätigen, daß es vorübergeht. Der Jüngste hat keinen Grund, ihnen nicht zu glauben. Er muß sich über den Fortschritt freuen. Selbst keine Änderung sei ein Fortschritt, sagte der Internist, weil es bedeute, daß keine Komplikationen aufgetreten sind und die Wunden im Brustkorb verheilen.
    Â»Aus kindischen Gründen, die zu erwähnen sich verbietet, habe ich zusammen mit einigen Kameraden die höhere Amerikanische Schule verlassen und mich am Kolleg für Politische Studien eingeschrieben, das dem Außenministerium angegliedert war.« Das ist Großvater, der über sich selbst schreibt: kindische Gründe, die zu erwähnen sich verbietet. Im Persischen steht knapper gheyr-e ghâbel-e zekr , nicht aussprechbar, wörtlich: »nicht erwähnbar«, wenn es das Wort gäbe. Ich wußte wohl, daß Großvater keine außerordentliche Karriere gemacht hatte. Er war auch nicht erfolglos. Wie er selbst sein Leben aufblättert, verlief es ziemlich durchschnittlich für einen Sohn aus den großbürgerlichen Verhältnissen Isfahans. Ich kann mir vorstellen, wie Großvaters gelehrtester Freund die Stirn runzelte, als er über den Aufzeichnungen saß. Den üblichen literarischen Kriterien zufolge wäre Großvaters Leben – jedenfalls bisher – »nicht erwähnbar«. Dabei wäre so vieles erwähnenswert gewesen. Die politischen Umstände während und nach der Konstitutionellen Revolution hätten auch eine allgemeine Leserschaft interessiert, die Demonstrationen, Schlägereien und Schüsse rund um das Gelände der Amerikanischen Schule, die unweit des Kanonenhausplatzes lag, und wenn schon nicht Zeitgeschichte: wie Großvater einen einzigen Tag erlebte, nicht nur sein Stundenplan, vielmehr Ängste, Enttäuschungen, Streit, Heimweh, das erste Begehren. Ein Schriftsteller hätte aus den Jahren, die auf die Schulzeit folgten, vielleicht einen iranischen Fabian geschaffen, die Geschichte eines Moralisten, der sich von Beschäftigung zu Beschäftigung durchs dekadente Hauptstadtleben hangelt, ohne an ihm teilzuhaben. Großvater jedoch war kein Schriftsteller und als junger Mann vermutlich an keinen Abenteuern, Affären, politischen Betätigungen oder rauschenden Festen beteiligt. Dennoch hätte er wenigstens von Teheran berichten können, der Stadt selbst, die sich bei seiner Ankunft Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts als unüberschaubar gewordene Lehmziegelsiedlung darstellte, mit unzähligen unbefestigten Gassen, durch die kein Fahrzeug paßte außer Karre, Maultier und Kamel, wie aus den frühesten Werken der modernen persischen Literatur zu erfahren ist. Mit keinem Wort erwähnt Großvater die Marmorgebäude, die rund um den Kanonenhausplatz erbaut wurden, die gepflasterten Boulevards und ersten Automobile, die Theaterspektakel, Cafés und Nachtclubs, die Sänger, die überall in der Stadt das Martyrium Hosseins herzergreifend beklagten, die Stegreifkomödianten, die sich alle denkbaren sexuellen Anzüglichkeiten und politischen Provokationen erlaubten, die Nachfahren schwarzer Sklaven, die jeden Donnerstagabend auf dem Marktplatz tanzten, oder den berühmten Luti Gholam Hossein, dessen Tricks und

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