Dein Name
schaffen?« Es war das Ende von GroÃvaters Studium. Wie Fabian war er, ohne eine Karriere vorzuweisen, in seine Provinzstadt zurückgekehrt, wohnte wieder bei seinen Eltern, lungerte tagsüber in den StraÃen herum, wuÃte nichts anzufangen mit seinen Talenten. Noch mit achtzig Jahren mache er sich deswegen Vorwürfe, schreibt er, und gebe seinem Vater recht: Warum habe ich so schnell aufgegeben? Zwar kehrte er nach schlechtgelaunten, sinnlosen Wochen nach Teheran zurück, aber nicht ans Kolleg für Politische Studien. Aus Bockigkeit gegenüber dem Vater, aus Faulheit, aus Lebenslust? GroÃvater schreibt, daà er sich eine Arbeit suchen wollte.
Als er am Nachmittag durch die Innenstadt läuft, um der Ãlteren ein Handy zu kaufen, entdeckt der Vater im Schaufenster eines Möbelgeschäftes Designer-Tischbeine, die um siebzig Prozent reduziert sind. Da sich der Kinderwagen zum Transport andient, kauft er die Tischbeine, die anzuschrauben nach Aussage des Verkäufers kinderleicht ist, so daà der Vater diesmal nicht den Studenten rufen wird. Auf dem Rückweg zündet die Ãltere in St. Gereon Kerzen für seinen Vater an, den »Stürmer«, für den Musiker in München und damit die Welt sich endlich einmal bessert. Danach haben beide Lust, die Moschee im eigenen Viertel zu suchen. Kafka umrià die Illusion am 5. Oktober 1911 in anfänglicher Verzückung, als er von einem Abend der »jüdischen Gesellschaft« im Café Savoy zurückgekehrt war: »Bei manchen Liedern, der Ansprache âºjüdische Kinderlachâ¹, manchem Anblick dieser Frau, die auf dem Podium, weil sie Jüdin ist, uns Zuhörer, weil wir Juden sind, an sich zieht, ohne Verlangen und Neugier nach Christen, ging mir ein Zittern über die Wangen.« Es ist nicht einmal eine Fabrikhalle, wie sich herausstellt, mehr eine Doppelgarage hinter einer Turnhalle. Davor stehen einige Plastikstühle und viel Gerümpel, für das sich allenfalls noch der Sperrmüll interessieren könnte, zerfetzte Tische, ein alter Drucker, Autoreifen, eingerollter grüner Filzboden. Ein weiÃhaariger, bärtiger Türke in bunter Strickjacke und weiter Bundfaltenhose, der einige Brocken Deutsch beherrscht, begrüÃt sie mit der Herzlichkeit des Dörflers. Genau Sie sind ein Feindbild, geht dem Vater durch den Kopf, der unangepaÃte, ungebildete, streng religiöse und erzkonservative Gastarbeiter aus Anatolien. Zum Glück können Sie auch nach dreiÃig Jahren kaum Deutsch und verstehen wenigstens nicht, was über Sie geredet wird. Der Vater fragt nach einer Koranschule für deutschsprachige Kinder. Der Türke kann nicht einmal mit einer Koranschule auf türkisch dienen, bringt sie aber unter Lobpreisungen der Töchter â Was Gott alles will! â hinter das Gebäude zum Imam, der trotz des Sommers eine buntgestrickte Baumwollmütze trägt, der graue Bart kurzgeschnitten, Hemd und Krawatte unter der Anzugweste. Die abgetragene Kleidung macht seine Würde noch trauriger, als es seine tiefliegenden Augen schon sind. Ob türkisch oder deutsch, das sei nicht so wichtig, meint der Imam in erstaunlichem Deutsch, aber Freude mache eine Koranschule doch erst, wenn sie mehrere Kinder hätte â ob die Ãltere nicht noch Freunde oder Freundinnen habe? Gern würde er sie dann unterrichten, ob deutsch oder türkisch, in jeder Sprache, die Gott gefällt. Nein, er selbst habe keine anderen Schüler, ach was, nicht einmal zum Freitagsgebet fülle sich der Schuppen. Die Muslime hätten das Interesse an ihrer Religion verloren. Vergeblich versucht der Imam, den Moscheevorstand zu erreichen, und schreibt dem Vater die Telefonnummer auf einen Zettel. Vielleicht könne der Moscheevorstand etwas organisieren. Er selbst sei immer da und stünde gern zur Verfügung. Nur allein, das mache keinem Kind Freude. Das Wort Freude scheint dem Imam lieb zu sein, so lang verweilen seine Zähne jedesmal auf dem F. Kinder brauchten Fffffreunde, um Fffffreude zu habe, worauf die Ãltere nickt. Als sie gehen, merkt sie durchaus an, daà es doch eine etwas schmuddelige Moschee gewesen sei, mit netten Leuten zwar, aber ohne Kinder, auf türkisch und nicht gerade gepflegt. Sie meint es weniger abschätzig als verwundert, allenfalls mit leiser Enttäuschung. Die Verstörung, ausgerechnet diesen fremden Leuten, diesen schäbigen Orten anzugehören,
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