Dein Name
verbracht, so viel Freude haben sie mir bereitet. Ich saà in dem Garten, ich rauchte mein Opium, ich freute mich an den Blumen, die mir unter allen Zeichen Gottes die wundervollsten waren. Ja, diese Blumen waren mein Gebetsstein, meine Kaaba, waren Gott selbst. Wie ich mich in ihren Anblick versenkte, versank ich in Seiner Schönheit. Ich wurde leer, ich vergaà mich völlig, ja, ich wurde selbst zur Blume, war eins mit allem, was lebt. Die Blumen lehrten mich zu begreifen, was der gesegnete Halladsch meinte, als er sagte: Ich bin Gott, was der gesegnete Bayezid meinte, als er sagte: Preis sei mir. Und doch haben mich die Blumen zu etwas Bösem verleitet, eben weil ich sie so sehr liebte. Mein Wohnhaus befand sich neben dem Stall des Vermieters. Als ich einmal nach Hause kam, war der Esel des Vermieters dabei, meine Blumen aufzufressen. Ich wollte ihn schon mit meinem Gehstock schlagen, als ich einsah, daà den Esel keine Schuld trifft. Andererseits war ich so zornig. Und dann habe ich statt dessen dem Eselknecht ein, zwei Hiebe auf den Rücken verpaÃt. Die ganze Zeit habe ich vor Augen, wie sich dieser arme Eselknecht vor mir krümmt, wie ich ihm weh tue. Das quält mich, das quält mich sehr. Bitte, fahr sofort nach Arak, wenn ich gestorben bin, erkundige dich, wo ich gewohnt habe, und finde diesen Eselknecht. Und gleich, was es kostet, mach ihn glücklich, egal wie, mach ihn bitte glücklich. Dann zitierte Agha Seyyed Abolhassan Tabnejad zum letzten Mal seinen gesegneten Rumi: »Die Lehre und der Weg unseres Propheten ist die Liebe, / Uns gebar die Liebe, und sie ist unsre Mutter; / Diese Mutter verbirgt sich in uns, / Sie versteckt sich vor dem, was wir wurden.« »Eine groÃe Persönlichkeit war der Seyyed«, fährt GroÃvater fort, »Gottessucher und Literat im höchsten Sinne, ein Mensch mit allen Vorzügen und nur einer Schwäche, seiner Abhängigkeit von Rauschmitteln, mit denen er sich jedoch nur selbst Schaden zufügte. Die anderen mahnte er stets, nicht dem gleichen Laster zu verfallen. Sein Verstand und sein Gedächtnis waren auÃergewöhnlich, im Schreiben hatte er einen ganz eigenwilligen, feinen Stil. Wenn man eine Frage hatte, gab er immer ausreichend Antwort, und wenn er die Antwort nicht kannte, dann gestand er es ein oder schwieg. Seine Barmherzigkeit allen Geschöpfen gegenüber kannte keine Grenze, seine Freigebigkeit war Legende. Wenn ihn jemand vergebens um etwas bat, dann wuÃten alle, daà er es nicht besaÃ, da er es sonst mit Freuden verschenkt hätte. Möge seine Seele froh sein und Gott über seinen einzigen Fehler hinwegsehen. Denn Gott ist der Barmherzige, der Erbarmer.« Wieder folgen Monate der Langeweile, des Umherirrens, der vergeblichen Suche nach Arbeit, in denen der junge Isfahani sich oft darüber ärgert, die Amerikanische Schule vorzeitig verlassen zu haben. Sein Vater hat einige Bekannte in Teheran, die in den Ministerien hohe Posten einnehmen oder von denen er gehört hat, daà sie hohe Posten einnehmen, oder die jemanden kennen, der einen hohen Posten einnimmt. Eine noch so niedrige Beschäftigung für den jungen Isfahani hat keiner von ihnen. Erschöpft und verzweifelt vom wieder einmal nutzlosen Klinkenputzen kehrt er zurück in sein ungeheiztes Zimmer, bereitet sich etwas zu essen und legt sich mit der Zeitung unter die Bettdecke. In einer Anzeige sucht die Zollbehörde nach neuen Mitarbeitern. 1919 ist das, an einem äuÃerst kalten Nachmittag im Januar. Zum ersten Mal seit vielen Seiten nennt GroÃvater das Jahr.
Schwerer als der Beinbruch wiegt die Krise, die er selbst diagnostiziert, als er zum ersten Mal einen Urologen aufsucht: Hälfte des Lebens. Er hat seit einiger Zeit eine Blasenschwäche, nicht dramatisch, aber doch so, daà er zum Beispiel bei Lesungen stets darauf achtet, kurz vor Beginn noch die kleine Notdurft zu verrichten wie andre ihr Gottstehmirbei. Beim Wort Mittelstrahlurin, mit dem die Arzthelferin ihn nach der Entrichtung der Praxisgebühr ins Kämmerchen schickt, fragt er sicherheitshalber nach. Ja, er hat richtig verstanden, nicht der Anfang, nicht das Ende, sondern die Mitte der Pisse, wo er auch im Leben angekommen ist. Auf einem Bein balancierend hält er den Becher, den er aus der Durchreiche neben dem Klo entnommen und mit seinem Namen versehen hat, griffbereit für den Mittelstrahl neben das Geschlecht, das,
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