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Nacht, die sie auf dem Asphalt oder dem Feld verbringen. Wohlhabende Inder haben Decken gespendet, das Stück für ein oder zwei Euro, aber es sind viel zu wenige, fünftausend bisher nur. Entlang der gesamten Strecke verteilen Hausfrauen Gebäck, singen Schulkinder Ständchen und sprechen Lokalpolitiker GruÃworte. Aus Delhi oder Bombay fährt gelegentlich ein Intellektueller oder Schauspieler vor, der einen Nachmittag lang mitmarschiert. Ein dauerlächelnder, weiÃgewandeter Heiliger mit langem schwarzem Bart hat bereits viertausend Schuhe gesammelt. Er selbst läuft barfuÃ. Im Bordmagazin des Flugzeugs, das nach zwei Stunden endlich auf die Startbahn rollt â die nichtbegründete Verzögerung vielleicht doch wegen des Kriegs? â, das Interview einer Schauspielerin, die ihren Urlaub mit Freunden verbracht hat. Wie in der Werbung stellt der Berichterstatter sich das vor, junge, attraktive Leute unter Palmen, nur nicht weiÃ, sondern braun, hellbraun wie fast alle Inder, die sich die Malediven leisten können. Sie hatten einen Bungalow zum Meer hin, links und rechts und vorne Meer, auch der Pool mit Meerblick nach mindestens drei Seiten, etwas erhöht, um besser sehen zu können, Pool-Bar natürlich, so schön ist das, ausschlafen zu können, keine Termine, Drinks, und das Beste: keine Autos. »Stuff in my shopping bag: Nothing! I took a holiday not only from work but shopping as well. But yes, I couldnât resist buying a pair of bikini, a pair of sunglasses, a sarong, a photo-frame and a bright pink trolley bag.« Es gibt eine teurere Kategorie für Politiker und Prominente, zu denen sie offenbar nicht gehört, etwa neunhundert Dollar die Nacht. »But why complain when I had a jacuzzi in my bathroom.« Gewöhnlich sieht man die spindeldürren Unterschenkel der Männer nur vereinzelt oder aus dem Fenster, wenn man mit dem Zug aus der Stadt fährt, entlang der Gleise oder dann auf den Feldern mit Strohballen auf dem Rücken oder Reisig, die zerfurchten, auf den wenigen faltenlosen Flächen wie gegerbten Gesichter, wirklich stumpf wie abgenutztes Leder, tiefdunkel, hervorstechende Zähne, keine Zähne, verfaulte Zähne, Zahnlücken, auÃerdem der elegante Gang selbst der ältesten Frauen, zumal im Vergleich mit den zweihundert Unterstützern aus dem Westen, die jeder für ein paar Tage mitmarschieren. Offenbar Ãberbleibsel der ehemaligen Staatswirtschaft, scheinen die Stewardessen nicht nur älter und angenehm unfreundlich, sondern auch nachlässiger zu sein als bei den neuen, privaten Fluggesellschaften, so daà sie sich nicht am Betrieb des Laptops stören, obwohl das Flugzeug endlich abhebt. Der Berichterstatter hat umgebucht, weil er seinen Gastgebern zu viele Umstände bereitete, so peinlich, sich zwischen all den Bauern, den Frauen mit Kindern sowie Alten im Jeep fahren zu lassen. AuÃerdem gefiel ihm die Aussicht auf einen absichtslosen Tag in Srinagar. Um über einen Ort zu schreiben, muà man sich an ihm gelangweilt oder nicht gelangweilt, dann ausgeschlafen haben, keine Termine, Drinks. »My travel funda: Be street-smart, so that nobody takes you for a ride. Always keep a couple of days extra so that you donât have to rush back. When you have a few more days in hand, extend your holiday if you so wish.« Fünfundzwanzigtausend Menschen unter der Sonne sind eine schier endlose Prozession, erst recht, wenn man sie zwischen zweien der drei Reihen humpelnd überholt. Einmal, fast schon vorne angekommen, kann der Berichterstatter keinen Schritt mehr weiter und macht Rast an einer Tankstelle. Bis der Jeep eintrifft, der ihn wieder nach vorne bringt, schaut er mit dem Tankwart, der ihm Wasser und einen Stuhl anbietet, dem Menschenstrom zu. â Arme Leute, sagt der Tankwart, dessen Eltern noch auf dem Feld gearbeitet haben. Er selbst hat Automechanik gelernt und freut sich, daà der Verkehr von Jahr zu Jahr dichter wird. Leider nur werden die Autos immer komplizierter gebaut, mit immer mehr Elektronik, die nur die Vertragswerkstätten beherrschen. Wenn seine jüngste Tochter weiter so fleiÃig ist, darf sie auf die englischsprachige Senior Secondary School. Dann wird sie eines Tages vielleicht auch bei ihrem Vater tanken. â Sehr arme Leute, bestätigt der Berichterstatter. â Was wollen sie? fragt der Tankwart. â Sie wollen Land, antwortet der Berichterstatter: Sie
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