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Kriminalkommissar in einem italienischen Spielfilm durchginge. Ich habe keine Wahl, sagt er. Vor zwei Jahren ist er einem Anschlag knapp entkommen, nicht dem ersten. Ãber den Staat, der ihr Leben beschützt, haben die Politiker nicht viel Gutes zu erzählen. In den Villen hört der Berichterstatter die gleichen Klagen über willkürliche Festnahmen, die dauernden Demütigungen, die Entfremdung von Indien. Die Gewalt sei rückläufig, meint der Kommunist, aber nicht etwa, weil die Kaschmiris sich mit der Besatzung abgefunden hätten, sondern aus schierer Erschöpfung. Er selbst habe den bewaffneten Widerstand von vornherein für falsch gehalten und sich entschieden, den Kampf innerhalb der Institutionen zu führen. Daà er in dieser Villa lebe, ja, eingesperrt, das sei eben die Konsequenz dafür, im System geblieben zu sein. Auch er fordert Selbstbestimmung, weist aber darauf hin, daà der Bundesstaat nicht nur aus dem Kaschmir-Tal mit seiner weitgehend muslimischen Bevölkerung besteht, sondern auch aus Jammu, wo die Mehrheit hinduistisch ist, und Ladakh mit seinen vielen Buddhisten. Was ist mit ihnen, würde Kaschmir an Pakistan fallen? fragt der Kommunist den Berichterstatter wie die Anglistin ihre Studenten. Unabhängigkeit klinge gut, ein säkularer, multikultureller Staat, sei aber leider irreal angesichts dreier Riesen, die Kaschmir besetzt hielten, Indien, Pakistan, China, von denen keiner auf seinen Anteil verzichten würde. Es gibt keine perfekte Lösung, seufzt der Kommunist, um den Plan eines weitgehend autonomen Kaschmirs zu skizzieren, das nicht formell unabhängig ist, mit offenen Grenzen zum pakistanischen Teil und regionaler Selbstverwaltung in den drei Provinzen Jammu, Kaschmir und Ladakh. Nichts anderes haben vor drei Jahren der indische und der pakistanische Regierungschef vorgeschlagen: Die Grenzen sollten nicht aufgehoben, aber bedeutungslos werden. Alles was wir tun können, ist, Druck auszuüben, mit friedlichen Mitteln, damit Indien und Pakistan endlich tun, worüber sie sich im Kern längst einig sind, erklärt der Kommunist und blickt dabei so traurig, daà der Berichterstatter ihm Mut zurufen möchte, an seine eigenen Worte zu glauben: Wir müssen die öffentliche Meinung in Indien und Pakistan auf unsere Seite ziehen. Wir müssen zeigen: Frieden ist möglich!
Zu den Paradoxien Srinagars gehört, daà es leichter ist, die Führer des Widerstands zu treffen als Politiker in Amt und Würden oder gar Vertreter des Militärs. Man klingelt einfach, und manchmal ist es der Führer selbst, der die Tür zu seinem Haus öffnet, das, bescheidener zwar, dafür ihm selbst gehört. Noch verwirrender aber ist, daà die Widerständler im Prinzip genau das gleiche verlangen wie die Regierungspolitiker: Autonomie, offene Grenzen, Rückzug der Armee â nichts anderes beschreibt der Führer der schiitischen Minderheit als Lösung, den die Anglistin und der Kommunist als Islamisten fürchten. Der schiitische Führer selbst versichert, die Theokratie abzulehnen. Die Fersen im Schneidersitz bis an die Beckenknochen hochgezogen, verschmitztes Lachen unterm weiÃen Turban, bewegt er ohne Unterlaà die Hände, als beginne gleich etwas Spannendes, ein Spiel oder eine Partie, ein Coup oder eine Revolution. Vielleicht weil das Gespräch auf persisch stattfindet, schildert er in erstaunlicher Offenheit die Streitigkeiten innerhalb des Widerstands. Alle wüÃten, daà der bewaffnete Kampf vorbei sei. Man müsse verhandeln, um vielleicht nicht bei den nächsten, dann bei den übernächsten Wahlen anzutreten. Die Extremisten seien gar nicht so extrem, sondern nur beleidigt, daà niemand sie an den Tisch gebeten habe. Mach sie zum Minister, und du hast sie auf deiner Seite. â Die Menschen sagen, daà sie von ihren Führern verkauft worden sind, bemerkt der Berichterstatter und betont: von allen Führern. â Die Menschen haben recht, erwidert der schiitische Führer. â Das bedeutet, daà sie auch von Ihnen verkauft worden sind. â Ja. â Es heiÃt, daà die Führer des Widerstands das Geld von beiden Seiten empfangen haben. â Stimmt. Wir Führer Kaschmirs haben alle miteinander versagt. â Sie auch? â Gott wird mich strafen. Wenn in Palästina und Israel eine knappe Mehrheit weiÃ, worauf der Frieden hinausläuft, wissen es in diesem
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