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Familie eingecheckt, ein Ingenieur aus Kalkutta mit Frau, Schwägerin und zwei Kindern. Der Ingenieur und der Berichterstatter stellen fest, daà sie fast auf den Tag gleich alt sind. Hey, darauf müÃten wir glatt anstoÃen, findet der Ingenieur und bedauert, daà die Hausboote because of the islamic movement keinen Alkohol mehr ausschenken: I respect that . Seine Ansichten sind genauso moderat wie die des Bootsherrn, also unvereinbar. Kaschmir ist für den Ingenieur aus Kalkutta Bestandteil von Indien, an integral part , wie er betont, of course . Nein, in den Schulbüchern stehe nichts von dem Versprechen der indischen Staatsgründer, ein Plebiszit abzuhalten. Also wissen die Soldaten nichts davon? Nein, die nicht, man müsse studieren oder sich aus anderen Gründen mit der Geschichte beschäftigen, um das Anliegen der Kaschmiris nicht für absurd zu halten. Indien stecke Unsummen in Kaschmir. Tomaten kosteten in Kalkutta doppelt soviel wie in Srinagar. Kaschmiris wollten Frieden, jedes Volk wolle Frieden â aber der Terrorismus ⦠wenn der Terrorismus nicht wäre. Den heutigen Tag verbringt die indische Familie in Gulmarg, einem Ausflugsziel auf dreitausend Metern. See you this evening. Der Bootsherr, ein gebildeter, selbst abends frisch rasierter Mann von vielleicht fünfzig Jahren in englisch anmutender Bundfaltenhose, weist mit einem Nicken auf ein weiÃes Gebäude am Ufer, ein ehemaliges Hotel, das die indische Armee als Kaserne beschlagnahmt hat. Vor ein paar Tagen sind dort zwei junge Leute erschossen worden, offiziell zwei Selbstmordattentäter, die eindringen wollten. Der Bootsherr sagt, daà die jungen Leute von der Armee nach Srinagar gebracht und hingerichtet worden seien. Keiner der Bootsführer und örtlichen Polizisten habe etwas von einem angeblichen Ãberfall mitbekommen. Auf den Fotos in den Zeitungen, die der Bootsherr dem Berichterstatter zeigt, sind die Gesichter entstellt, so daà man nicht erkennt, ob es Einheimische sind oder tatsächlich Ausländer, wie die Armee behauptet. Selbstmordattentäter seien es jedenfalls nicht, sondern Gefangene, ist der Bootsherr überzeugt. Die Regierung des Bundesstaates übe Druck auf die Armee aus, die Hotels freizugeben und die Präsenz in der Stadt zu reduzieren. Die Armee lege ihre Art von Beweis vor, daà der Terrorismus den Staat weiter bedrohe. Zwischen den Gästen und den Gastgebern ist der Berichterstatter beinah so etwas wie eine Schaltstelle, versucht mal für den einen, mal für den anderen Standpunkt Verständnis zu wecken. Sie selbst haben sich, obgleich der Berichterstatter keine unfreundlichen Töne hört, kaum mehr als die Essenszeiten zu sagen und die Frage, wo die Fernbedienung des Fernsehers liegt: Herren die einen, nicht als Inder über Muslime, sondern als Kunden über Angestellte, vorurteilsfrei genug, die Ferien bei den Aufständischen zu verbringen; Diener die anderen, die sich darüber freuen, daà überhaupt wieder jemand auf ihren Hausbooten schläft.
Kaschmirische Politiker, die nicht in die Illegalität abgetaucht sind, leben in einem eigenen Viertel, durch StraÃensperren getrennt von der Bevölkerung. Will man die Villen besuchen, in denen der indische Staat sie unterbringt, muà man mehrere Kontrollen passieren. Zumindest den bekannteren Politikern scheint jeweils eine ganze Hundertschaft Soldaten zugeordnet zu sein, die sich auf den parkähnlichen Grundstücken eingerichtet haben, das Gartenhäuschen als Kaserne, die Besenkammer als Dienstküche, die Pförtnerwohnung für den Offizier. So stilvoll die Villen von auÃen wirken, haben sie im Innern den Charme möbliert vermieteter Apartments. GewiÃ, für die gewöhnlichen Menschen gehören Politiker einer eigenen Kaste an, deren Loyalität der indische Staat reich entlohnt. In den Villen selbst ist der Eindruck ein anderer. Da wirken die Politiker eher verloren inmitten des Mobiliars, das ihnen nicht gehört, vor den Fenstern Soldaten, die eigene Stadt ein Gebiet, das sie kaum je betreten, meist nur in der schwerbewaffneten Wagenkolonne durchfahren können. Besonders einem Politiker, dem Vorsitzenden der Kommunistischen Partei, nimmt der Berichterstatter das Unwohlsein ab, sitzt auf dem Sofa wie sein eigener Gast, ein melancholischer Mann in den Fünfzigern, der mit dem Seitenscheitel und den etwas zu langen, schwarzen Haaren auch als
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