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Dein Name

Titel: Dein Name Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Navid Kermani
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er von Abend zu Abend mehr Fragen hätte. Im Hotelzimmer angekommen, schaut er zu allem Überfluß nach, was diese oder jene Lokalzeitung über seine Auftritte geschrieben oder der Student an Nachrichten weitergeleitet hat, fast alles erfreulich, so daß es ihn kaltläßt, bis ihn eine einzige kurze Mail um den Schlaf bringt, die ihn beschimpft, seine Religion beleidigt oder hämisch einen Fehler nachweist. Er bemüht sich doch wirklich, bleibt stets höflich, argumentiert, weckt Verständnis nach allen Seiten, und am Ende des Tages stellt sich ein Unbekannter vor ihm auf und wirft ihn nieder mit einem Wort, so wehrlos ist der Handlungsreisende, der die Nacht, welche Nacht eigentlich und wo?, unter drei Sternen deshalb bei seinem Großvater verbringen wird. Aus welchem Grund auch immer – weil er ihn loswerden wollte?, weil für die Aufgabe Durchsetzungsvermögen statt Mathematik benötigt wurde? – ernannte der Zolldirektor Monsieur K-L-T zum Inspekteur für den Persischen Golf und schickte ihn auf See. Die iranischen Beamten durften auslosen, wer ihn als Übersetzer begleitete. Großvater, der Monsieur K-L-T noch nicht näher kannte, freute sich, als das Los auf ihn fiel. Warum seine Kollegen sich erleichtert zukicherten, ging ihm erst auf hoher See auf. Vielleicht hatten sie auch geschummelt. Damals unterstand die gesamte iranische Kriegsflotte der Zollbehörde und damit belgischem Befehl: zwei größere Schiffe, die Persepolis und Mozaffar hießen, und einige Boote mit Namen wie Aserbaidschan und Mazanderan . Monsieur K-L-T und Großvater bezogen je eine Kajüte der Persepolis . Zu den Mahlzeiten trafen sie sich mit dem Kapitän, einem kleinen, sechzig- oder siebzigjährigen Iraner mit weißem Bart, den alle Abdolrahman nannten. Daß Großvater und Kapitän Abdolrahman keinen Alkohol tranken, wollte Monsieur K-L-T schon persönlich nehmen, deshalb erläuterten die beiden ihre Glaubensgründe anhand von Koranzitaten. – Dieu me damne , seufzte Monsieur K-L-T , ich dachte, ich hätte zwei Freunde als Reisegefährten, und jetzt stellt sich heraus, daß ich mit zwei Priestern unterwegs bin. Daß er sich selbst nicht als Heiligen sah, machte er bereits in Deylam deutlich, wo die Persepolis zum ersten Mal ankerte. Was für ein hübscher Teppich!, rief Monsieur K-L-T im Büro des Zollvorstehers aus. Großvater wußte nicht recht, ob er die Bemerkung für den Zollvorsteher übersetzen sollte. Als Monsieur K-L-T merkte, daß der Zollvorsteher nicht auf die Würdigung des Teppichs reagierte, drückte er sich deutlicher aus: Sag ihm, er soll mich bitten, den Teppich mitzunehmen. Immerhin bedankte sich Monsieur K-L-T beim Abschied herzlich und lobte die Großzügigkeit der Bevölkerung von Deylam. Auch in anderen Häfen schlug Monsieur K-L-T die Geschenke nicht ab, die er seinen Gastgebern mit Hilfe Großvaters nahelegte. Einmal steckte ein Stammesführer Großvater kein Geschenk, sondern einen Umschlag mit Bargeld zu. Großvater wollte das Geld schon zurückgeben, aber Monsieur K-L-T beruhigte ihn: Das Geld wird uns bei der Arbeit nicht behindern. Auf dieser Grundlage verstand sich Monsieur K-L-T bestens mit den Einheimischen und insbesondere den Stammesführern, die in prächtigen Gewändern, mit Gewehren, Schwertern und Gefolge angeritten kamen, zumal sie sich bei den abendlichen Gelagen in der Wüste nicht als Priester entpuppten. Auf der Persepolis fuhr er die Küste entlang, kontrollierte die Zollbücher, trieb bei den Händlern und Stämmen die ausstehenden Zölle ein und lobte die Großzügigkeit der Bevölkerung. Manchmal verhängte er auch Strafen. In den meisten Häfen verlief die Arbeit ohne Komplikationen; allenfalls wurde einmal um den Betrag gefeilscht, dann war Monsieur K-L-T niemand, der sich taub stellte, wenn das Argument in Form eines weiteren Teppichs oder eines Umschlags mit Bargeld vorgebracht wurde. Nur einmal, in einer Hafenstadt, deren Namen ich weder auf dem Satellitenbild noch im Weltverzeichnis aller Hafenkodes ermitteln kann (Bandar Asaliyyeh, Osolyeh oder so ähnlich), stießen sie auf Widerstand. Monsieur K-L-T ordnete an, die Stadt zu bombardieren. Als der Enkel am Freitag, dem 7. Dezember 2007, um 3:49 Uhr mit halbzugefallenen Lidern schon die Nachttischlampe ausschalten will, fällt ihm ein, was er gestern abend noch unbedingt

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