Dein Name
er von Abend zu Abend mehr Fragen hätte. Im Hotelzimmer angekommen, schaut er zu allem Ãberfluà nach, was diese oder jene Lokalzeitung über seine Auftritte geschrieben oder der Student an Nachrichten weitergeleitet hat, fast alles erfreulich, so daà es ihn kaltläÃt, bis ihn eine einzige kurze Mail um den Schlaf bringt, die ihn beschimpft, seine Religion beleidigt oder hämisch einen Fehler nachweist. Er bemüht sich doch wirklich, bleibt stets höflich, argumentiert, weckt Verständnis nach allen Seiten, und am Ende des Tages stellt sich ein Unbekannter vor ihm auf und wirft ihn nieder mit einem Wort, so wehrlos ist der Handlungsreisende, der die Nacht, welche Nacht eigentlich und wo?, unter drei Sternen deshalb bei seinem GroÃvater verbringen wird. Aus welchem Grund auch immer â weil er ihn loswerden wollte?, weil für die Aufgabe Durchsetzungsvermögen statt Mathematik benötigt wurde? â ernannte der Zolldirektor Monsieur K-L-T zum Inspekteur für den Persischen Golf und schickte ihn auf See. Die iranischen Beamten durften auslosen, wer ihn als Ãbersetzer begleitete. GroÃvater, der Monsieur K-L-T noch nicht näher kannte, freute sich, als das Los auf ihn fiel. Warum seine Kollegen sich erleichtert zukicherten, ging ihm erst auf hoher See auf. Vielleicht hatten sie auch geschummelt. Damals unterstand die gesamte iranische Kriegsflotte der Zollbehörde und damit belgischem Befehl: zwei gröÃere Schiffe, die Persepolis und Mozaffar hieÃen, und einige Boote mit Namen wie Aserbaidschan und Mazanderan . Monsieur K-L-T und GroÃvater bezogen je eine Kajüte der Persepolis . Zu den Mahlzeiten trafen sie sich mit dem Kapitän, einem kleinen, sechzig- oder siebzigjährigen Iraner mit weiÃem Bart, den alle Abdolrahman nannten. Daà GroÃvater und Kapitän Abdolrahman keinen Alkohol tranken, wollte Monsieur K-L-T schon persönlich nehmen, deshalb erläuterten die beiden ihre Glaubensgründe anhand von Koranzitaten. â Dieu me damne , seufzte Monsieur K-L-T , ich dachte, ich hätte zwei Freunde als Reisegefährten, und jetzt stellt sich heraus, daà ich mit zwei Priestern unterwegs bin. Daà er sich selbst nicht als Heiligen sah, machte er bereits in Deylam deutlich, wo die Persepolis zum ersten Mal ankerte. Was für ein hübscher Teppich!, rief Monsieur K-L-T im Büro des Zollvorstehers aus. GroÃvater wuÃte nicht recht, ob er die Bemerkung für den Zollvorsteher übersetzen sollte. Als Monsieur K-L-T merkte, daà der Zollvorsteher nicht auf die Würdigung des Teppichs reagierte, drückte er sich deutlicher aus: Sag ihm, er soll mich bitten, den Teppich mitzunehmen. Immerhin bedankte sich Monsieur K-L-T beim Abschied herzlich und lobte die GroÃzügigkeit der Bevölkerung von Deylam. Auch in anderen Häfen schlug Monsieur K-L-T die Geschenke nicht ab, die er seinen Gastgebern mit Hilfe GroÃvaters nahelegte. Einmal steckte ein Stammesführer GroÃvater kein Geschenk, sondern einen Umschlag mit Bargeld zu. GroÃvater wollte das Geld schon zurückgeben, aber Monsieur K-L-T beruhigte ihn: Das Geld wird uns bei der Arbeit nicht behindern. Auf dieser Grundlage verstand sich Monsieur K-L-T bestens mit den Einheimischen und insbesondere den Stammesführern, die in prächtigen Gewändern, mit Gewehren, Schwertern und Gefolge angeritten kamen, zumal sie sich bei den abendlichen Gelagen in der Wüste nicht als Priester entpuppten. Auf der Persepolis fuhr er die Küste entlang, kontrollierte die Zollbücher, trieb bei den Händlern und Stämmen die ausstehenden Zölle ein und lobte die GroÃzügigkeit der Bevölkerung. Manchmal verhängte er auch Strafen. In den meisten Häfen verlief die Arbeit ohne Komplikationen; allenfalls wurde einmal um den Betrag gefeilscht, dann war Monsieur K-L-T niemand, der sich taub stellte, wenn das Argument in Form eines weiteren Teppichs oder eines Umschlags mit Bargeld vorgebracht wurde. Nur einmal, in einer Hafenstadt, deren Namen ich weder auf dem Satellitenbild noch im Weltverzeichnis aller Hafenkodes ermitteln kann (Bandar Asaliyyeh, Osolyeh oder so ähnlich), stieÃen sie auf Widerstand. Monsieur K-L-T ordnete an, die Stadt zu bombardieren. Als der Enkel am Freitag, dem 7. Dezember 2007, um 3:49 Uhr mit halbzugefallenen Lidern schon die Nachttischlampe ausschalten will, fällt ihm ein, was er gestern abend noch unbedingt
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