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festhalten wollte: Aus dem Munde eines anderen hat er GroÃvater gehört. Nach dem Vortrag und manchen Zuhörern, die noch etwas von ihm wollten, sprach ihn als letzter ein alter Herr an â er hatte die anderen wohl abgewartet â und erzählte von seiner Pilgerreise mit dem Fahrrad nach Jerusalem, weiter nach Ãgypten und über den Maghreb und Spanien zurück nach Deutschland. â Wie ist es zu erklären, fragte er, daà ich mich nirgends sicherer und geborgener gefühlt habe als unter Muslimen? Der Enkel wuÃte genau, wovon der christliche Pilger sprach, die selbstverständliche Freundschaft gegenüber Gästen und Achtung Andersgläubiger, so sie denn gläubig sind, über die der Enkel in Europa nicht zu sprechen wagt, weil es unweigerlich apologetisch wirkte oder ihm jemand anhand von Fallbeispielen â was ist mit den Schwulen?, was mit den Frauen?, was mit den Bahais? â seinen Irrtum nachwiese. Nie habe er sich Sorgen gemacht, beteuerte der christliche Pilger, Gott habe ihn geleitet, ihn mit Unterkunft, Speise und jeden Tag mit der Güte neuer Menschen versorgt, mit Garantie die Gütigsten, wann immer es brenzlig wurde, etwa nachts oder einmal im Sandsturm. â Das waren Sie selbst, sagte der Enkel, ohne sich die Antwort zurechtgelegt zu haben, das war Ihre eigene Güte, die sich spiegelte, und zitierte die Mahnung Rumis, die Doktor Jordan in beinah jeder Abiturrede zitierte, wenn jemand von einem anderen Gutes sagt, so wendet sich dieses Gute wieder zu ihm. Er hatte wirklich ein Nikolauslächeln, der christliche Pilger, etwas ganz Seliges, als habe er gefunden, wofür er so weit Fahrrad gefahren, wirkte dabei vollkommen unintellektuell, jemand, der sein Leben lang geschuftet haben muÃ, weshalb er den Weg nach Jerusalem und über Kairo zurück nicht als Plackerei begriff. In Syrien nahm der christliche Pilger einen Muslim, der ihn beherbergt hatte, mit in die Kirche am Ort, erklärte ihm die Rituale, bat ihn zu warten, damit der Pilger betete zu seinem Gott. Nach dem Gebet meinte der Muslim, daà er dem Gast nun aber unbedingt auch die Moschee zeigen müsse. Der Imam empfing den christlichen Pilger freundlich, erklärte die Rituale und führte ihn herum. Am Ende sagte der Imam, daà er dem Gast aber auch ein Gebet mit auf den Weg geben müsse. â Stand ich nun unter dem Schutz seines oder dem Schutz meines Gottes? fragte der christliche Pilger schelmisch. â Ich würde sagen, daà es der Schutz unseres gemeinsamen Gottes war, antwortete der Enkel. â Das will ich wohl meinen, verbreiterte der christliche Pilger sein Lächeln zu einem glucksenden Lachen: Zu Gott kommt man auf vielen Wegen. Genau so, wörtlich, hatte der Enkel es von seiner Mutter gehört, die es von ihrem Vater, der es von Agha Seyyed Abolhassan Tabnejad, der es von den islamischen Mystikern, die es von den christlichen Asketen gehört hatten, die im siebten, achten Jahrhundert nach Jerusalem pilgerten.
Diesmal könnte es gelingen. Hinter manchen Schaufenstern der Gasse hält sich kein Geschäft, keine Kneipe, kein Imbià länger als ein Jahr. Andere Betriebe, direkt danebengelegen, gab es schon immer und haben Aussicht, für immer standzuhalten, Ewigkeit aufs Erwerbsleben gerechnet oder sogar über die zweite Generation hinaus wie die Pizzeria oder gegenüber die Eisenwaren, die seit 1937 nicht mit der Zeit gegangen sind. Als er vor bald zwei Jahren das Büro bezog, damit es gegebenenfalls zur Wohnung würde, war das Ladenlokal neben dem türkischen Supermarkt einer der zwanzig, dreiÃig Import-Exporte im Viertel mit dem repräsentativen Querschnitt türkisch-asiatischer Waren, elektronisches Spielzeug, FuÃmatten, Porzellan, Radiorekorder, die Fülle in den Regalen diametral zur Frequenz der Kunden. Da unbegreiflich ist, wie die Inhaber, die ausgesprochen geheimnisvolle Menschen sind â in den meisten Import-Exporten rotiert die Besetzung hinter der Ladentheke fortlaufend, und der Inhaber kann jemand ganz anders sein, ein Cousin, der in Detmold eine Sanitärkette betreibt, oder ein Bekannter in Antalya â, wie sie mit ihren Geschäften Geld verdienen, nimmt der Nachbar an, daà die Inhaber andere Geschäfte laufen haben. Das Ladenlokal neben seiner Haustür ist mit 220 Quadratmetern zu groà für Türkei und Asien, die Lage nicht billig und der Vermieter als Jurist niemand, der
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