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Rechnungen mit mehr als einstelligen Zahlen notierte er auf einem Blatt, wobei er auf flämisch laut zu sich selbst redete. AnschlieÃend zeigte er das Blatt mit verdecktem Ergebnis einem iranischen Beamten. Kam der Beamte auf die gleiche Summe â was selten geschah â, nahm Monsieur K-L-T seine riesige Hand weg und rief voller Stolz voilà . Wich die Summe ab, lieà sich Monsieur K-L-T die Rechnung erklären und tauschte die Zahl auf seinem Blatt aus, ohne verlegen zu werden oder sich zu schämen.
Natürlich war die Voraussetzung, auch die Direktrice anzusprechen, daà er zuvor gesagt hatte, niemals so glücklich mit der eigenen Frau zu sein wie jetzt. Darauf wies auch die Schwiegermutter hin, die die Frau tröstete, die nach dem Stillen nicht mehr zurück zur Feier wollte â es bleibt, daà dieser Idiot von Romanschreiber die Wirkung nicht vorausgesehen, überhaupt nicht daran gedacht hat, die eigene Frau verletzen zu können, sonst hätte er wenigstens eine andere, weniger authentische Formulierung für die Festrede gewählt, die er sich am Nachmittag ausgedacht hatte. Ãhnlich dem Roman, den ich schreibe, jedoch stichpunktartig und als Vorabdruck, erzählte die Festrede die Biographie des Romanschreibers als Folge der Begegnungen mit seinen Gästen, mit den Eltern, denen er auf den Tag vor vierzig Jahren begegnete, den drei Brüdern einen Tag später, weil sie es nach der Geburt vorzogen, Bonanza zu Ende zu sehen, statt den Vater ins St. Marien zu begleiten; keine drei Jahre später schon der beste Freund, dem er Gummibärchen anbot, als dessen Eltern Umzugskartons in das Nachbarhaus trugen, das Mädchen, in das er sich auf der Klassenfahrt verliebte, der Rektor, der ihn als einziger in Siegen aufnahm, als er vom Gymnasium flog, der Kommilitone aus dem Orientalistikstudium und ihr legendärer Heiligabend im Kairiner Puff, die Kollegen, der Redakteur und der Verleger sowie alle weiteren Weggefährten bis hin zur Reporterin, deren Mutter gestorben ist, ihre Berührung auf der Hinterbühne, die Witwe von Karl Otto Hondrich und damit Hondrich selbst, zu dem eine Freundschaft entstanden wäre, der Bildhauer und damit Nasrin Azarba selbst. â Sie ist unter uns! half der Bildhauer von hinten aus, als dem Jubilar die Stimme versagte. Die Philosophin, welche ihm die jüdisch-muslimische Erklärung zum Libanonkrieg aufgesetzt hatte, meinte beim Frühstück, daà es wie seine eigene Grabrede gewesen sei, genau gesagt die Rede des Begrabenen über die Hinterbliebenen, und sie solches Pathos bei jedem anderen Menschen unerträglich gefunden hätte. Wie verzaubert schien ihm bei seinen Besorgungen das eigene Viertel, weil hinter jeder Ecke jemand entgegenkam, den er ein, zehn oder zwanzig Jahre nicht gesehen hatte. Nach Möglichkeit wird er keine Wegmarken mehr verpassen wie früher, der Lobpreis zur Geburt, das Begehen der Feste, das letzte Geleit. Für den Roman brauchbar, den ich schreibe, ist der Laptop, den ihm die Brüder geschenkt haben, mit 23,5 mal 17,5 mal 1,8 Zentimetern eigens ein besonders kleines und leichtes Gerät, das in jede Tasche paÃt, um die Allmacht stets mit sich zu tragen, die der Romanschreiber der Unsichtbaren Loge verkündet, als der Held zum ersten Mal im Roman auftritt, den Jean Paul schreibt: »Sei gegrüÃet, kleiner Schöner, auf dem Schauplatz dieses Lumpenpapiers und Lumpenlebens! Ich weià dein ganzes Leben voraus, darum beweget mich die klagende Stimme deiner ersten Minuten so sehr; ich sehe an so manchen Jahren deines Lebens Tränentropfen stehen, darum erbarmt mich dein Auge so sehr, das noch trocken ist, weil dich bloà dein Körper schmerzet â ohne Lächeln kommt der Mensch, ohne Lächeln geht er, drei fliegende Minuten lang war er froh.«
Weil die anderen gar nicht erst zu seinen Vorträgen kommen, trifft er jeden Abend in einer anderen Stadt auf friedfertige, angenehme, tolerante Menschen, die mit ihm und untereinander diskutieren wollen, über seinen Vortrag, anschlieÃend beim Abendessen und manchmal ein Journalist oder jemand mit einem Projekt beim Frühstück, immer nur diskutieren, sag mir deine Meinung, ich gebe dir meine dafür wie die ersten Siedler ihre Lebensmittel. Er hat nichts dagegen, sich einen Abend über dieses oder jenes Problem auszutauschen, nur tauscht er sich gar nicht aus, sondern gibt nur noch Antworten, zu denen
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